Anthroposophie        =           Dreigliederung

Impuls - Reaktion - Inkarnation   1919 - 1969 - 2019    Geschichte - Quellen - Material

I,7 Der Michaelskampf in seiner apokalyptischen Bedeutung

   Nun ist es nicht möglich, die Geschehnisse auf der Erde zu verstehen, ohne auf die Ereignisse einzugehen, welche in der geistigen Welt stattfinden, denn sie haben einen engen Zusammenhang. Was sich zwischen Menschen und zwischen Völkern auf der Erde abspielt, ist ein Spiegelbild der geistigen Ereignisse; was aus den Willenstiefen des Menschen an Impulsen aufsteigt, deutet auf Impulse, die von höheren Geistwesen kommen, mögen sie nun im Dienste der guten Weltenführung stehen oder im Dienste der Mächte, die andere Ziele verfolgen. Das kann in der Gegenwart durch nichts so klar werden, wie durch den Kampf Michaels gegen die ahrimanischen Gegenmächte. Unsere Zeit mit allen ihren Ereignissen wird langsam durchsichtig, wenn S30 man versucht, diesen Geisteskampf als Schlüssel zu deren Verständnis zu benutzen. Leicht kann, was Rudolf Steiner über den Eintritt der Michael-Herrschaft in unserer Zeit sagte, was er über Ahriman und sein Wirken enthüllte, was um die Jahrhundertwende geschehen wird, mehr gefühlsmäßig und dann nicht ernst genug genommen werden. Versucht man aber ernsthaft, unsere Zeit geistig erkennend zu verstehen, dann sind das imaginative Urphänomene, die ein Licht auf das gegenwärtige Geschehen werfen. Stellen wir zuerst kurz einige Grundwahrheiten der gegenwärtigen Michael-Herrschaft vor uns hin.

   Mit dem Jahre 1879 beginnt einer der bedeutendsten Einschnitte in der Evolution der Menschheit. Michael, der Engel der Sonne, der in vorchristlichen Zeiten im Dienst Jahves stand, ergriff die Zeitenherrschaft. Auf diese Aufgabe bereitete er sich seit dem Mysterium von Golgatha vor. Er stellt sich heute ganz in den Dienst des Christus, so wie dieser in der Gegenwart, 2000 Jahre nach Golgatha, für eine fortgeschrittene Menschheit wirken will. Er wurde dadurch zum "Antlitz des Christus", wie er früher das "Antlitz Jehovas" war. So ist, was er den Menschen verkündet, zugleich eine Offenbarung der Ziele des gegenwärtig wirkenden Christus. Der große Umschwung, der sich dadurch vollzog, liegt in der Tatsache, daß die Mondenkräfte Jahves, die noch bis zur Mitte des 19. Jahrhundert nachwirkten, nun endgültig abgelöst werden durch die Sonnenkräfte des Christus. Die Volks-, Bluts- und Vererbungskräfte, durch welche Jahve wirkte, werden in der Gegenwart ersetzt durch das geistig-ätherisch wirkende Lebensblut des Christus. Dieses ätherisierte Lebensblut ist wirksam in einem neuen Ideenleben, unabhängig von allen Vererbungskräften (GA5127ausGA130).

   Im Dienste des heute wirkenden Christus wird Michael zum inspirierenden Zeitgeist für die auf 1879 folgenden drei bis vier Jahrhunderte. Seine Wirksamkeit begann allerdings schon 1841 in der geistigen Welt, die unmittelbar an die irdische grenzt. Da sammelten sich die ahrimanischen Widersachermächte, um den Beginn dieser neuen, wichtigen Phase der Entwicklung der Menschheit wenn möglich zu verhindern, denn sie verfolgen eigene Ziele. Das führte zu einem harten Kampf in der übersinnlichen Welt, der mehr als drei Jahrzehnte dauerte, bis Michael diese der Entwicklung widerstrebenden Mächte zur Erde hinunterwerfen konnte, um diese Sphäre frei zu machen für das Wirken des ätherisch wiederkommenden Christus. Damit begann das bedeutsamste Geisteswirken seit dem Mysterium von Golgatha. Es wird die Menschheit im Laufe der weiteren Entwicklung zu ganz neuen Möglichkeiten führen. S31 Oft hat Rudolf Steiner in  diesem Zusammenhang auf das 12. Kapitel der Apokalypse hingewiesen, in dem der Kampf Michaels mit den Drachenmächten beschrieben wird. In den höheren Welten sah Johannes ein grandioses Geistesbild, eine gewaltige Imagination. Es formte sich in der Sonnensphäre die Gestalt einer Frau. Sie hatte den Mond mit seinen Kräften unter ihre Füße gebracht, auf dem Haupte trug sie eine Sternenkrone, durch die höhere Geistesweisheit in sie einströmte. Sie selbst war durchdrungen und umstrahlt von Sonnenkräften, die ihren Quell in einem Kinde hatten, welches in ihr zur Geburt drängte. (Siehe auch "Bilder okkulter Siegel und Säulen" GA284). Damit verbunden ist der Kampf des Drachen gegen die Geburt des Sonnenkindes. Er will, wenn das Kind geboren wird, es verschlingen. Gegen diese Absicht setzt Michael alle seine Geisteskräfte ein. Michael hat sich vom Beginn der Menschheitsentwicklung an mit dem, was dieses Geistesbild offenbart, identifiziert. Er will dem Sonnenkind in der Frau, er will dem sonnengeborenen Ich in der geläuterten Menschheitsseele und später in jeder einzelnen Menschenseele zur Geburt verhelfen. Er stürzt den Drachen zur Erde hinunter. Dieses apokalyptische Geistesbild offenbart das Wirken der Weltenführung, des Christus für die Menschheit. Es umspannt die gesamte Erdenentwicklung. Immer, wenn Michael eine neue Zeitenherrschaft antritt, wirkt diese gewaltige Sonnenimagination im Hintergrund. Auf der Erde wird der Kampf für die Geburt des Ich in der Seele des Menschen gegen die immer mächtiger werdenden ahrimanischen Drachenmächte erbittert geführt; im Hintergrund erstrahlt diese apokalyptische Imagination, allem dunklen und harten Erdenkampf den höheren Sinn gebend.

   Drei von diesen wichtigen Michaelzeiten, Michaelkämpfen kann man besonders hervorheben. Es sind: die Geburt des Christus-Ich auf der Sonne in der Mitte der atlantischen Zeit, die Geburt des Christus-Ich auf der Erde zur Zeit des Mysteriums von Golgatha und die Geburt des Christus-Ich in der Bewußtseinsseele des Menschen in unserer Zeit. In der Mitte der atlantischen Zeit kommt der Christus auf seinem Wegen von den höchsten Sphären der Geistwelt herunter zur Erde bis zur Sonne. Es ist die Zeit, wo die Sonneneingeweihten der Erde die Ankunft des Christus auf der Sonne feierten. Damit beginnt Christus seine Tätigkeit für die Ich-Entwicklung der Menschheit von der Sonne aus, zunächst also von außen. Er bereitet dadurch das Golgatha-Geschehen vor. Die Hüllen der Menschen waren durch den Luzifereingriff verdorben. Sie fingen an, ungeeignet für die Aufnahme des Ich zu werden (Siehe: "Vorstufen zum Mysterium von Golgatha" GA152). Er mußte den physischen Leib, Ätherleib und den Astralleib bereiten, so daß sie fähig S32 wurden, ein Ich aufzunehmen. In der Mitte der atlantischen Zeit beginnt das Wirken für die Geburt eines freien, bewußten Ich-Menschen. Das Bild der Frau mit dem Kinde enthüllte sich den Sehenden zum ersten Mal. Von dieser Zeit an wirkten auch die von Michael von der Sonne zur Erde gestürzten Drachenwesen, die eigentlichen antichristlichen Mächte der Welt. Meister Bertram malte den aus der Sonne gestürzten Drachen auf seinem Altar (Kunsthalle Hamburg). Die Tätigkeit dieser antichristlichen Wesen auf der Erde in der damaligen Zeit führte die atlantische Kultur in die Dekadenz, in den Verfall und schließlich zum Untergang der Atlantis.

   Dann in der vierten nachatlantischen Zeit, der griechisch-römischen Kulturperiode, stieg Christus zur Erde herunter. Das wurde durch Michaels Zeitenherrschaft in der Zeit von Aristoteles und Alexander vorbereitet. Christus vereinte sich durch seine Opfertat auf Golgatha mit der Erde. Die Erde begann von innen her zu leuchten, ihr Sonnenwerden begann. Der Sonnenkeim, den Christus in die Erde senkte, begann zu keimen, zu wachsen, durchstrahlte langsam auch die Tiefen der Menschheit. In den Menschenseelen begann zu keimen, was in unserer Zeit als Ich geboren werden kann. Was vor Golgatha, von der Sonne kommend, von außen einstrahlte, konnte jetzt im Inneren der Menschheit aufleuchten. Es ist das Geistige der Sonne selbst, welches nun im Inneren der Erdenevolution aufleuchtete, der Christus. Hinter dem Weihnachtsbild, der Geburt des Christuskindes durch Maria, erscheint das kosmische Geistbild der Frau mit dem Sonnenkind.

   Von diesem Wendepunkt an haben die antichristlichen, die ahrimanischen Mächte einen stärkeren Zutritt zur Menschheitsentwicklung, d.h. sie bekommen einen größeren Einfluß auf alle Menschen, die sich nicht mit dem Christusimpuls auf der Erde verbinden wollen, die am Mysterium von Golgatha vorbeigehen. Alle Menschen jedoch, welche den Christusimpuls in sich aufnehmen, erlangen die Kraft, sich von den abwärtsziehenden Kräften zu befreien: "Aus dem, was gesagt worden ist, können Sie entnehmen, daß sozusagen gerade durch die Erscheinung des Christus - wenn wir den Ausdruck gebrauchen wollen - Ahriman in Fesseln gelegt worden ist -, allerdings nur für diejenigen, die immer mehr versuchen, das Christus-Mysterium zu durchdringen. Immer weniger wird der Schutz in der Welt sein gegen den Einfluß Ahrimans außerhalb der Kräfte, die von dem Christus-Mysterium ausströmen" ("Die Christustat und die widerstrebenden geistigen Mächte" GA107,16.Vortrag). S33

   Deshalb arbeiten die Ahrimanmächte vor allem daran, die tiefere kosmische Bedeutung des Golgathageschehens den Menschen zu verhüllen, vor allem, daß mit Christus eine Zeit begann, die sich von der vorchristlichen, alttestamentarischen Zeit grundsätzlich unterscheidet, daß durch Christus der Keim zu einer neuen Erde gelegt wurde. Gerade die tiefere kosmische Bedeutung der Christus-Tat lag Michael, der mit seinen Scharen von der Sonnensphäre aus auf das Mysterium von Golgatha herunterblickte, klar vor Augen. Und das bereitete das dritte Michaelereignis vor, welches in vieler Beziehung eine Erfüllung des Mysteriums von Golgatha bringt. Es beginnt mit dem Antritt der Zeitenherrschaft des Erzengels Michael im Jahre 1879. Nach der Bereitung der "Leibeshüllen" in der atlantischen Zeit, nach der Geburt des Christus-Ich in der "Seele" der Menschheit, soll jetzt als eine wichtige Erfüllung des Golgatha-Ereignisses eine Geburt im "Geiste" stattfinden. Was ist damit gemeint? Die Christuskraft soll nun, vom Herzen kommend, die Erkenntniskraft des Menschen durchdringen, damit der Mensch aus einem gewandelten Denken zur Geisterkenntnis aufsteigen und aus dieser das Geistesschauen der Zukunft entfalten kann. Bewußtes Geisterkennen, bewußtes Geisterschauen sind die Früchte des neuen Michaelereignisses in unserer Zeit. Christus kann nunmehr als Sonnen-Ich im Denken geboren werden, kann die Mondenkräfte im Denken überwinden, damit eine neue Geisterkenntnis einstrahlen kann. So leuchtet erneut das Bild des Weibes mit dem Sonnenkind auf. Michael wirkt daran, aus dem vererbten, gehirngebundenen Denken das durchchristete Denken zu entwickeln. Wer im Denken die Denkkraft findet und in der Denkkraft das aktiv-wirkende Ich, der erlebt die erste reale Begegnung mit seinem Ich, die Geistgeburt des Ich in der Bewußtseinsseele ("Philosophie der Freiheit" GA4).


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