Anthroposophie        =           Dreigliederung

Impuls - Reaktion - Inkarnation   1919 - 1969 - 2019    Geschichte - Quellen - Material

B. Zweiter Abschnitt


Vom Sternengeheimnis zum Erdengeheimnis:

Der rhythmische Aufbau des Johannes-Evangeliums im einzelnen

I. Der Herabstieg des Christus

(Joh.1-5)

Adler - Stier - Widder

Fische - Wassermann - Steinbock - Schütze - Skorpion

1. Das Wort im Urbeginn

(Joh.1,1-18)

Adler - Stier - Widder


S159   Wie der kosmische Rhythmus im Markus-Evangelium durch alle Kapitel hindurch dem Jahreslaufe der Sonne, entspricht (s.A cap.4) der Rhythmus des Johannes-Evangeliums in seinen ersten Kapiteln dem des großen Weltenjahres. Das heißt: wir schreiten nicht vom Aufgang der Sonne nach der Himmelshöhe aufwärts, sondern nach unten, durch die dunkeln Himmelszeichen abwärts. Würden wir den Rhythmus beider Evangelien nach dem Aufbau der Menschengestalt orientieren (ME23ff),

(S160)

so würden wir sagen: im Markus-Evangelium führt der Rhythmus vom Kopf (Widder) nach abwärts, im Johannes-Evangelium von den Füßen (Fische) nach aufwärts.
   Im Markus-Evangelium gingen dem Aufgang der Christus-Sonne in der Jordantaufe (Steinbock/Wassermann), die beiden "Elias-Johannes-Zeichen" wie ein "Auftakt" von unten her voraus. Das Johannes-Evangelium mit der zunächst umgekehrten Bewegungsrichtung seines Rhythmus kann einen Auftakt nur von oben her haben. Wie das Markus-Evangelium einen Johannes-Auftakt von unten her, hat das Johannes-Evangelium einen Christus-Auftakt von oben her. Das entspricht auch dem Wesen des "Christus-Evangeliums". Nicht in die finstern Regionen der Seelen-Einsamkeit und Ich-Verlassenheit (Steinbock/Wassermann), wie beim Täufer Johannes im Markus-Evangelium, sondern in die Lichtgebiete des Welten-Ich, in die Christus-Sphäre des Welten-Urwortes und Welten-Urlichtes, in die Welt des ewigen Namens (s.A cap.7) werden wir im Eingang des Johannes-Evangeliums geführt. Dieser Region des Welten-Wortes entspricht im himmlischen Tierkreis das Zeichen des Wortes (Stier). In ihm und dem sich nach abwärts anschließenden Zeichen der Inkarnation, des Eintritts ins Irdische (Widder) - "und das Wort ward Fleisch" (Joh.1,14) - haben wir den Auftakt des ersten Johannes-Kapitels zu suchen, dessen kosmische Situation weiterhin derjenigen des ersten Markus-Kapitels entspricht (Fische-Jungfrau).
   Setzen wir also in das Zeichen des Wortes (Stier), in dasjenige Zeichen, dem sich im Markus-Evangelium immer einfach das Wort "Wort" zuordnet (ME112), den Anfang des Johannes-Evangeliums: "Im Urbeginne war das Wort", so werden wir uns gleich daran erinnern, wie dieses Zeichen des Wortes, der Stier, im Sinne geistiger Forschung (Näheres darüber im Zyklus II "Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt" von Rudolf Steiner) und der Mysterien-Erinnerungen alter Völker zugleich das Zeichen der Erden-Urbeginne ist. Im Altindischen heißt go (Stamm gá), mit dem deutschen Kuh sprachlich verwandt, zugleich Erde (griechisch ge, Gäa), S161 und das Altägyptische kennt eine Erden-Offenbarung der Isis als Kuh.

   Wir können uns dieses in alten Mysterien Überlieferte, in alten Sprachen noch Erkennbare, von Rudolf Steiner a.a.O. Entwickelte auch veranschaulichen an dem einen, schrägliegenden der drei Weltenkreuze (siehe die Figur im Anhang, hier rechts oben), dessen vier Ecken der vier Elemente und der vier Ätherarten zugleich diejenigen der vier Evangelisten sind (Teil A,cap5). Die okkulte Kosmogonie fügt hier noch den Gesichtspunkt der vier großen Entwickelungsstufen des Weltenwerdens ("Saturn, Sonne, Mond, Erde", ME86Anm.) hinzu. Da erleben wir dann beim Löwen, beim Zeichen des Feuerelements und des Wärmeäthers, wie hier im Saturn-Urbeginn des ganzen Systems (des heutigen Sonnen- und Planetensystems) das Welten-Opfer-Feuer und Welten-Urfeuer sich entzündet, wie in diesem Welten-Opfer-Feuer, im feurigen Löwen, der ja auch das Zeichen des Herzens ist, gleichsam das Herz der Welt zu schlagen beginnt, und wie es da, am Ende der Saturn-Entwickelung, auch wieder zu schlagen aufhört. Da erleben wir weiterhin beim Skorpion-Adler, beim johanneischen Zeichen des Klangätherischen und Welten-Musikalischen, wie das aus langem "Weltenschlafe" (Pralaya) wieder erwachende Weltensystem (Sonnensystem - im Sinne der "Geheimwissenschaft" handelt es sich hier überall um frühere Verkörperungen der Erde) im Ur-Sonnen-Sein (der "alten Sonne" im Sinne der "Geheimwissenschaft") vom spiegelnden Scheinleben des Saturndaseins zum wirklichen Leben übergeht, wie sich da gleichsam der Übergang vom "Welten-Saturnstag" zum "Welten-Sonnentag" vollzieht (jener Übergang, der in seiner irdischen Widerspiegelung dann beim Sabbatstreit der Pharisäer im Evangelium ein so bedeutsames Motiv wird), wie da im "Sonnen-Adler" wirklich das "Sonnen-Leben" urständet (vgl.ME26,40,119,186ua), und wie es im gleichen Zeichen, das damit zum "Skorpion" geworden ist, auch den Todesstich empfängt. Wenn wir alles dieses mit den öfter beschriebenen Vorgängen bei der Johannes-Einweihung zusammenhalten (Wiederumwandlung des Skorpions S162in den Adler, ME27,127)*,...


(* Es lebt dieser okkulte Zusammenhang von Adler und Skorpion (oder "Adler und Schlange") in alten Menschheits-Mythen und Mysterien, bis hinein in das

auf der "Polarität der Laute" aufgebaute ägyptische Hieroglyphen-Alphabet und "Friedrich Nietzsches Wachträume in "Also sprach Zarathustra".)


...können wir verstehen, inwiefern über dem weltentiefen und weltgewaltigen Eingang des Johannes-Evangeliums, mit dem Stier, als dem Zeichen des Wortes und Erdenurbeginnes, zugleich der Adler, der überdies das eigentliche johanneische Zeichen ist, steht. Ähnlich, wie beim Saturn-Urbeginn den Löwen, beim Ur-Sonnen-Sein den Adler-Skorpion, erleben wir beim "alten Mond" (dieser Ausdruck findet sich schon bei Novalis, im "Ofterdingen"), bei der Monden-Vorstufe des Erdenseins den Wassermann, den ätherisch-astralischen "Menschen der Urbeginne". An dieser "Wassermann-Ecke" des Weltenkreuzes finden wir das Matthäus-Evangelium als das "Evangelium des Menschen" (Teil A cap.5), wie beim Skorpion-Adler das Johannes-Evangelium. Das "Monden-Dasein" ist noch nicht in dem Sinne physisch, wie das heutige Erdendasein, da liegt alles noch im Elemente des Ätherisch-Wässerigen, Lichtätherischen, dem der Wassermann angehört. Beim Stier, der vierten Ecke des Evangelien-Welten-Kreuzes, finden wir dann mit dem "Lebensäther" den höchsten Äther, zugleich das feste Erdenelement als das unterste der Elemente. Da erst wird die Erde und der Mensch eigentlich physisch, da erst geht das nach dem Ablauf der "Monden-Entwickelung" wieder durch einen "Weltenschlaf" hindurchgegangene System in die Erdenstufe allmählich über. In diesem Sinne ist der Stier das Zeichen der Erdenurbeginne. Zum Zeichen des Klangätherischen und Weltenmusikalischen (Skorpion-Adler) kommt jetzt im Erdenurbeginn der Stier als das eigentliche Zeichen des Wortes. Alles das lebt dann im Eingang des Johannes-Evangeliums "Im Urbeginne war das Wort", und in der Verbindung der beiden Zeichen (Stier und Skorpion-Adler) erfühlen wir, wie da hinter dem Schöpfungsgeheimnis der Erden-Urbeginne das in die tiefste Christus-Sphäre hineinweisende Geheimnis des Ur-Sonnen-Seins steht. S163

   Im "Saturn-Urbeginn" (Stier) entsteht im Welten-Opferfeuer und Welten-Urfeuer zugleich die erste (wärmeätherische) Keimanlange des menschlichen "physischen Leibes". im "Sonnen-Urbeginn" (Adler-Skorpion) zugleich die erste Anlage des "ätherischen", des "Lebens-Leibes", der Urkeim des Lebendigen, das der Mensch mit der Pflanze gemeinsam hat, im "Monden-Urbeginn" (Wassermann) im "astralischen Leib" der erste Keim des Bewußtseins-Lichtes, das der Mensch mit der Tierwelt gemeinsam hat (das "Astralische" wird als "inneres Licht" erlebt), im "Erden-Urbeginn" (Stier) endlich wird von den schaffenden Wesenheiten (den "Geistern der Form") dieser physisch-ätherisch-astralischen Hülle des Menschen, unter gleichzeitiger Verdichtung des Physischen bis zur wirklichen festen Erdenstofflichkeit (Stier), das Ich eingeprägt, in dem der Mensch erst zum Selbstbewußt-Menschlichen erwacht. (Das Bewußtsein im Astralischen war nur erst ein empfindendes Bewußtsein, noch kein Selbstbewußtsein).
   Wir finden die hier in der okkulten Sprache ausgedrückten Zusammenhänge wieder in der einfachen, johanneischen Sprache des Evangeliums, wenn wir uns an dasjenige erinnern, was schon früher (Teil A cap.5) in Anlehnung an die Sprache des Märchens in dieser Richtung entwickelt wurde. Die Ur-Saturn-Anlage des Physischen im Menschen erscheint da einfach als der "Leib", dazu kommt im Sonnenhaft-Ätherischen (im "Sonnenkleid" des Märchens) das "Leben", im Mondenhaft-Astralischen (im "Mondenkleid" des Märchens) das "Licht", und das Erden-Ich vollendet sich in der Liebe (im "Sternenkleid" des Märchens), von der Novalis sagt. "Die Liebe ist der Endzweck der Weltgeschichte (er meint die Gesamt-Erden-Entwickelung), "das Amen des Universums". Als Leib, Leben, Licht, Liebe erscheint die Viergliederung des Menschenwesens und Weltenwerdens in johanneischer Sprache: "Im Urbeginn war das Wort" (von dem es später heißt: "und das Wort ward Fleisch")... "in ihm war das Leben"... "und das Leben ward das Licht der Menschen". Die Liebe, so sahen wir, verwirklicht sich erst am Ende der Dinge, wenn die Finsternis das Licht begriffen hat. Das konnte sie am Anfang der Dinge noch nicht, und auch heute noch fällt es ihr schwer. Das Motiv S164 "das Licht schien in die Finsternis, aber die Finsternisse haben es nicht begriffen" istt ein Ur-Motiv des Johannes-Evangeliums. In der Menschheits-Krisis, die im sechsten bis zehnten Kapitel des Johannes-Evangeliums zum Ausbruch kommt und dann das Ereignis von Golgatha herbeiführt, offenbart es sich erschütternd. Es kann gesehen werden, wie die ganze Dreigliederung der Kapitel des Johannes-Evangeliums: Mysterium des Christus-Niederstiegs, Menschheits-Krisis, Erweckung des Christus-Jüngers und innerer Zusammenschluß mit den Jüngern (in den "Jünger-Kapiteln") schon durch den Eingang des Johannes-Evangeliums durchleuchtet (vgl. vor allem Teil A cap. 4+6), wie der Anfang von jenem Herabstieg, wie dann v. 10+11 ("...und die Welt kannte es nicht... und die Seinen nahmen ihn nicht auf") von der "Krisis", das Folgende ("wie viele ihn aber aufnahmen...") von der Aussonderung der Erwählten spricht.

   Achten wir darauf, wie der Herzschlag alles Leibliche beherrscht und regelt, wie das Herz auch da das Innerste ist, das "was zuerst lebt und zuletzt stirbt" (das primum vivens ultimum moriens nannte es die Weisheit des Mittelalters), wo wird verständlich, wie wir hier den Löwen, das Zeichen des Herzens, zum Leiblichen und seiner Uranlage stellen, so wie den Skorpion-Adler zur Quelle des Lebens, den Wassermann zum Lichte des Astralischen, den Stier zur Liebe, die sich im Erden-Ich entwickelt.
   Auch hier läßt sich, wie überall, dem Gesichtspunkte der Tierkreiszeichen der planetarische hinzufügen. So können wir uns, wenn wir an den Beginn derjenigen Weltenstufe, wo sich im Erden-Ich die Liebe entwickelt (das ist eben die "Erden-Entwickelung"), das Stierzeichen hinschreiben, aus den früheren Planeten-Kapiteln (Teil A cap. 2+3) daran erinnern, wie in diesem Zeichen Venus, der Stern der Liebe, als schöpferische Liebe herrscht (wie andrerseits im Wassermann-Zeichen als himmlische Liebe, Venus Urania). So steht, planetarisch angesehen, über dem Stier, dem Zeichen des Wortes und der Erden-Urbeginne, Venus als die Liebe im Urbeginn, il primo Amore, wie Dante in der Divina Commedia die in der Schöpfung sich offenbarende göttliche Liebe nennt, "die Liebe am Urquell S165 des Lebens", wie Segantini eins seiner in der Lichtfülle des Oberengadins entstandenen Gemälde ausdrucksvoll benannt hat. Beide Offenbarungen der Venus sind göttlich: im Stier ist sie "des Weltenwerdens Walterin", die schöpferische "Liebe im Urbeginn", in der Wassermann ist sie die "himmlische Liebe" (Venus Urania) als die erlösende, die zum Urquell des Seins wieder zurückführende Liebe (vgl. Novalis, Hymnen an die Nacht: "Da kam der ewigen Liebe lösende Hand - und er entschlief.") Von hier aus ziehen sich auch Verbindungslinien zu dem (dem Johannes-Evangelium überall so intim verbundenen Lukas-Evangelium, das sich ja in besonderem Sinne dem Stierzeichen zuordnet (wie das Johannes-Evangelium dem Skorpion-Adler). Das Lukas-Evangelium, so sahen wir, ist ja vor allem das Erden-Evangelium wie dasjenige des jungfräulich-mütterlichen Lebensäthers: darum spielen in ihm eine besondere Rolle die Erdengeheimnisse des Weiblich-Mütterlichen, die Geburtsgeschichte und die Weihnachtsgeschichte, und Venus im Stier steht zum Innig-Liebevollen dieses Evangeliums überall in Beziehung.

***

   Die beiden über dem Eingang des Johannes-Evangeliums leuchtenden Zeichen Stier - das Wort - und Widder, die "Fleischwerdung des Wortes", waren in alten Mysterien noch in besonderem Sinne Licht-Zeichen, Zeichen der Ur-Lichtes-Offenbarung, und bis in die Sprachen hinein kann man diese Zusammenhänge verfolgen. Das Wort go im vedischen Sanskrit bedeutet außer Rind, Stier, Kuh und Erde im Plural auch die Lichtstrahlen, und Worte, die das Kuhhorn oder Widderhorn ausdrücken, bedeuten zugleich den Lichtstrahl: man beachte die Beziehung des lateinischen cornu "Horn", des indischen kirana (Ton auf 1.Silbe) "Lichtstrahl" und des hebräischen qeren, das beide Bedeutungen hat. Das löst auch das Rätsel der Widderhörner bei der Mosesgestalt des Michelangelo. Sie sind eine Imagination der Lichtaura und der Lichtimpulse des das Ich-Denken inspirierenden Widders, der lichten S166 Haupteskräfte. Schon rein äußerlich genommen, sind Widder und Stier die Zeichen des aufgehenden Lichtes, Frühlingszeichen, der Stier das Zeichen des immer stärker werdenden Lichtes in der Fülle des sprießenden Naturlebens (im Mai der nördlichen Erdhälfte). Schauen wir von den Zeichen hin auf die Sternbilder (der Unterschied wurde in der Einleitung erklärt), so offenbart der Stier mit dem hellen Königsstern "Regulus", den Plejaden und dem Licht-Dreieck der Hyaden die höchste Lichtfülle unter allen Sternbildern des himmlischen Tierkreises. In der altägyptischen Kulturzeit und Blütezeit ihrer Mysterien schien die Sonne im Frühlingsbeginn im Sternbilde des Stieres: der "Erden-Widder" lag damals im himmlischen Stier, so wie er heute in den "himmlischen Fischen" liegt. (Darum die Heiligkeit des Stiers in der Isis-Venus-Kultur (Venus in Stier) des alten Ägypten und ihrer Mysterien, ihr tiefes Hineinschauen in die Erdengeheimnisse und "Erdenurbeginne".) Dieselben Zeichen, die im Jahres-Rhythmus den Aufgang des Jahreslichtes begleiten, stehen im Johannes-Evangelium über dem Aufgang des Weltenlichtes.

   So ist vor allem der Stier, indem er das Wortzeichen ist, zugleich ein Lichtes-Zeichen. Man darf daran erinnern, wie es in alten Sprachen, besonders im vedischen Sanskrit, zahlreiche Worte gibt, die zugleich eine Licht- (oder Farben-)Erscheinung und ein Klang-Phänomen ausdrücken. Was später Lichtoffenbarung wurde, war ursprünglich Klangoffenbarung. Das ist besonders anschaulich bei gewissen Urworten für Licht und Sonne, svar im Altindischen ist ein solches Wort, súrya "Sonne" ist davon abgeleitet. Im Avesta (im Urpersischen Zarathustras) heißt das Wort hvar. Eine ältere Form dieses (auch "Sonne" bedeutenden) Wortes ist dort hvan, Genitiv hvöng (vgl. dazu die im Aufsatze "Das heilige Urwort des Zarathustra"§ in der Verfassers Schrift "Aus der Welt der Mysterien" (Rudolf Geering Verlag Basel) S 12f mitgeteilte und hinsichtlich des Lauterlebnisses besprochene avestische Gatha-Strophe. - hier eingestellt unter 13......) Dieses wiederum entspricht dem indischen svan "klingen", lat. sonare, während svar als Verbum S167 im Indischen "leuchten" heißt. Wie r der vibrierende Lichtkonsonant, ist n mit seiner Möglichkeit des Fortklingens der tönende, der Klang-Konsonant. In diesem Sinne erscheint auch das deutsche Sonne, ein germanisches Urerlebnis bewahrend, noch als Klangwort, das an Zeiten erinnert, wo die Offenbarung des Sonnenlichts noch tönend erlebt wurde (vgl. das Goethe'sche: "Die Sonne tönt nach alter Weise in Brudersphären Wettgesang").

   So verbindet sich auch in dem über dem Eingang des Johannes-Evangeliums stehenden Stier-Zeichen die Lichtes-Offenbarung mit der Wort-Offenbarung und Klanges-Offenbarung. Dazu kommt, daß das hier für "Wort" im griechischen Urtext stehende Wort logos, wenn wir es einmal einfach aus seinen Lauten heraus zu erleben suchen, nicht zu den Klangworten, sondern durchaus zu den Lichtworten gehört. Es steht in einer ganz andern Entwicklungsreihe als das deutsche Wort Wort. Bei "Wort" empfinden wir das Werden ("alles ist aus demselbigen geworden"), das indische vrt "sein, werden, geschehen" weist in dieselbe Richtung, vgl. auch vrdh "wachsen, gedeihen, sich entwickeln". Das v in allen diesen Worten ist der "Urlaut" (vgl. darüber des Verfassers Schrift "Es werde Licht" - hier eingestellt unter ....), r die vibrierende Bewegung, t der Abschluß in der Form. Ähnlich die Laute im lateinischen verbum "Wort". Auch der Inder kennt das schöpferische Urwort, vác, Nominativ vák (-lat. vox, vocis "Stimme"), die Verbindung des Urlautes mit dem palatal-gutturalen Schöpferlaute c (k), dem "Stier-Laute und Anlaute von Kuh (weich als g im indischen go).

   Das - auch im Johannes-Evangelium erscheinende - griechische Wort logos, der "Logos", steht in derselben Entwicklungsreihe, der auch das deutsche Wort "Licht" angehört (vgl. über die Licht-Worte der verschiedenen Sprachen des Verfassers Schrift "Der physische und der geistige Ursprung der Sprache".) Wohl heißt logos zunächst und in erster Linie "Wort, Rede, Gespräch", und hat insbesondere auch im Johannes-Evangelium einwandsicher diese Bedeutung. Dabei hat es aber zugleich die Bedeutung "Vernunft" "Überlegung", drückt alles S168 dasjenige aus, was wir ja auch im Deutschen mit dem Worte "logisch" verbinden, das im Denken, im lichten Bewußtsein klar Durchschaubare. Auch das Wort logos "Wort" im Eingang des Johannes-Evangeliums verbindet, gleich dem zu ihm gehörigen Stier-Zeichen, mit dem Worthaften und Klanghaften das Lichthafte, es lauscht nicht nur hinein in die Tiefen des Welten-Wortes, sondern erhebt uns zugleich zu den Höhen des Welten-Lichtes, es spricht davon, daß die Christus-Offenbarung im Eingang nicht nur eine Offenbarung des schöpferischen Welten-Urwortes, sondern zugleich eine solche des klaren Welten-Urlichtes und lichten göttlichen Ur-Gedankens ist. Nicht anders als im Licht und im lichten Bewußtsein, das sagt uns das Ich-Evangelium, offenbart sich der Christus. Wir befinden uns da in derjenigen Sphäre, auf die uns das (gewöhnlich mit "Wahrheit" übersetzte) Wort aletheia hinweist (siehe darüber Teil A cap.6), das im Welten-Ich verankerte, vor dem Weltenlichte sich halten könnende nie verlöschende Bewußtsein. Das Johannes-Evangelium selbst verbindet die Wesenheit dieses Bewußtseins mit dem Lichte. Der - von Luther in Anlehnung an die Vulgata falsch übersetzte Vers 9 des Eingangs heißt richtig: "Denn das Licht des nie verlöschenden Bewußtseins (das ewige Licht im Ich, lux perpetua), das jeden Menschen erleuchtet, war im Begriffe, in die Welt zu kommen". (Das hier gemeinte Falsche liegt natürlich nicht in dem Ausdruck "das wahrhaftige Licht", der nur eben der näheren Erläuterung bedarf, sondern in dem "welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen". Wie schon die lateinische Bibelübersetzung  - die er bei seiner Übersetzung benutzte -, übersetzt Luther das griechische ..., das als ein auf ... bezogener Nominativ den weitaus besseren, den allein wirklich möglichen Sinn ergibt, als Akkusativ und bezieht es auf ... "jeden Menschen" >es stehen hier die griechischen Zeichen<). Es ist diese Welt des ewigen Lichtes auch die früher gekennzeichnete (Teil A cap.7) "Welt des ewigen Namens" und ihrer Sternen-Offenbarung. In diesem Sinne spricht der Eingang des Johannes-Evangeliums dann bedeutsam von der Gotteskindschaft derjenigen "die an seinen Namen S169 glauben" d.h. ihres Herzens Sicherheit in das im Weltenlichte sich offenbarende ewige Ich versenken.

   Auf die Geheimnisse des Welten-Ur-Lichtes weist auch hin das im Urtexte des Johannes-Evangeliums selbst stehende Wort für Licht, das griechische phos, das wieder einer ganz andern sprachlichen Entwicklungsreihe als das mit logos verwandte deutsche Wort Licht (lux) angehört, oder als die dem lat. dies "Tag" zugrunde liegenden Lichtworte (die, wie viele Namen des Göttlichen in alten Sprachen, auf die alte indo-arische Licht-Wurzel dí zurückführen). phos liegt in einer noch höheren, übersinnlicheren, dem Urton und Urwort näheren Sphäre als alle diese Worte, und verhält sich zu phoné "Stimme" ebenso, wie das ihm entsprechende indische Wort bhas "leuchten" zu bhan "tönen, sprechen". Etwas vom lichtgewordenen Urwort und Urton, lebt noch lautlich in phos. Es ist noch nicht unser Alltagslicht, das mit wärmender, hitzender Flamme leuchtet. Sondern es läßt uns, wo wir ihm in der johanneischen Sphäre begegnen, wirklich an das von ihm gebildete Wort Phosphor, an den mit kalter Flamme leuchtenden weißen Phosphor denken. Im Griechischen ist phosphoros der Morgenstern Venus, dessen Licht in alten Mysterien bis in den Buddhismus hinein als die überirdisch-höchste aller Lichtesoffenbarungen empfunden wurde. Wir dürfen auch erinnern an dasjenige, was im 1. Bande des Buches von Dr. Guenther Wachsmuth "Die ätherischen Bildekräfte in Kosmos, Erde und Mensch" über das kalte Licht, die "kalte Flamme" gesagt ist, die eine höhere, noch dem oberen Elemente von Lebensäther und Klangäther (dem im Paradies dem Menschen verloren gegangenen "Baum des Lebens") sich zuordnende Offenbarung des Lichtätherischen ist. (Siehe auch den Aufsatz "Der Lebensbaum" in des Verfassers Schrift "Aus der Welt der Mysterien" S111, bes. S134 <hier eingestellt unter .....) Vom "kalten Licht der Welten-Eisgefilde" ist in Rudolf Steiners Mysteriendrama die Rede. Und etwas von diesem Isis-Elemente des "kalten Lichtes" lebt in den Weltenhöhen der Eingangsworte des Johannes-Evangeliums, die im Wortzeichen des Stieres, des von Isis-Venus beherrschten, stehen. S170

   "In ihm (im ewigen Weltenwort) war das Leben" -: das hier gemeinte "Wort" ist kein irdisch-alltägliches Wort, es trägt in sich mit den Geheimnissen des Urlichtes und des aus der Weltenmusik heraus magisch-schöpferisch gestaltenden und ordnenden Klangäthers noch den Lebensäther, den höchsten Äther (so wie auch das Wortzeichen Stier ein Zeichen des Lebensäthers ist, s.d. Anhang). Mit der "Fleischwerdung des Wortes", mit der Erscheinung Christi auf Erden, kommt auch dieses im Paradiese verlorene höhere Lebenselement wieder ins Irdische herein. Von diesem Gesichtspunkt schauen wir noch einmal hin auf das L in Logos, oder auf dasjenige, was in der deutschen Sprache in der johanneischen Vierheit Leib, Leben, Licht, Liebe im L-Laute lebt als das im Lichte schöpferisch sich entfaltende Leben. Schöpferisch sich entfaltendes All-Leben spricht sich im L-Laute aus, und wir denken dabei an das deutsche "All" wie an die hebräischen Gottnamen El, Eloah, Elohim, und an dasjenige, was Rudolf Steiner im "Dramatischen Kursus" über den L-Laut sagt: "man empfinde bei ihm, es ginge enem gut, wenn er selber würde; man schwimme im Elemente des Lebens, wenn man das L richtig empfinde." (S47).

   "Alle Dinge sind durch dasselbige geschaffen, und außer durch dieses Wort ist nichts von dem Entstandenen geworden". Hier können wir auch darauf achten, wie gewisse große, durch das Ganze der Bibel sich hindurchziehende Hauptmotive im Johannes-Evangelium wiederkehren, hier gleichsam um den Christus-Mittelpunkt sich versammelnd im Christus-Lichte neu aufleuchten. So lebt in den Ich-Bin-Worten des Johannes-Evangeliums als unmittelbare Christusoffenbarung das göttliche "Ich bin der ich bin", das sich dem Moses im brennenden Dornbusch offenbarte. Im "guten Hirten, der die Schafe beim Namen ruft" (Joh.10) lebt wieder auf das Jesaias-Wort "Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein" und mit ihm das große Namen-Motiv der Bibel (Teil A cap.7). Und in dem das schöpferische Leben (den Lebensäther) und die magisch-gestaltende und ordnende Kraft des Klangäthers in sich tragenden Weltenwort S171 im Eingang des Johannes-Evangeliums lebt wieder das Schöpferwort der Genesis (1Mos.1), das da im Urbeginne spricht "Es werde Licht" und alle Dinge ins Dasein ruft und ihnen die Namen gibt. Mit dem Motiv des schöpferischen Wortes verbindet sich schon dort, wie dann wieder im Johannes-Evangelium, das Namen-Motiv. (Das ist im Evangelium vor allem der Fall in V.12, wo gesprochen wird von denen "die an seinen Namen glauben", die in den ewigen Namen des Ich ihres Herzens Sicherheit versenken). Die ganze Welt, in die uns der Eingang des Johannes-Evangeliums versetzt, das Höhenreich des schöpferischen Weltenworte, ist diejenige, die wir früher (Teil A cap.7) die "Welt des ewigen Namens" genannt haben. Aus dieser Welt des ewigen Namens steigt der Christus jetzt ins Erdendasein hernieder: "und das Wort ward Fleisch". Es ist die Welt, der der Mensch mit seinen höheren, heute nur erst als Keimanlage vorhandenen Wesensteilen, mit seinem vom Ich aus umgewandelten, aus dem Ich herau neu geborenen Wesen angehört (johanneisch gesprochen: mit dem, "was nicht aus den Blutszusammenhängen, nicht aus dem Willen des Fleisches und des Mannes, sondern aus dem Göttlichen geboren ist", V.13), miit dem, was man auch die obere Dreiheit des Menschen (Manas Buddhi Átmá) genannt hat. Auf diese Dreiheit weist uns auch die Dreiheit der Vokale im griechischen Johannes-Namen (ME46) hin: Johannes ist derjenige, der wiederum bewußt in der Welt des ewigen Namens lebt und schaffend in ihr und aus ihr spricht.

   In ihm lebte, wie in keinem andern "höheren Menschen", die "Kraft, die schaffend sprechen darf, weil sie sich schweigend selber schaffen konnte" (Worte Rudolf Steiner im Mysteriendrama "Der Hüter der Schwelle"). Darum vermochte der Verfasser, der Inspirator des Johannes-Evangeliums mit einer solchen, in allem Schrifttum der Menschheit einzig dastehenden Urgewalt des Wortes von den Geheimnissen des schöpferischen Weltenworte im Urbeginn zu künden, weil er im Wege der von Christus, dem ewigen Weltenwort, selbst geleiteten Initiation diese Macht des Wortes in sich zu erwecken vermochte, durch die Schule und Prüfung S172 des Schweigens hindurchschreitend das Wort (in dem hier gemeinten Sinne) zu finden wußte. An diesem Punkte darf - wo hier überall die Verbindungslinien nach dem Markus-Evangelium gezogen werden - erinnert werden an das in der Darstellung des Markus-Evangeliums (ME223f.ua) so oft hingestellte Bild des schweigenden Siechen, der dann durch unsagbare Krisen, Prüfungen und Anfechtungen hindurch zum Johannes-Werden heranreift, die Einweihung findet, die den andern Jüngern versagt bleibt, jenes Bild des schweigenden Siechen, den wir dann im 

Siechen des Lazarus-Kapitels (Joh.11,1) wieder zu entdecken vermeinen. Erinnern dürfen wir vor allem an den Augenblick, wo der bis dahin Schweigsame, vom Augenblicke des Miterlebens der Erweckung des Sohnes der Witwe zu Nain (wenn wir von diesem Punkte der Legende folgen dürfen) in immer tieferes Schweigen, in immer tieferes Siechtum Verfallene das Wort gewinnt, wie er Wortführer wird in dem Augenblick, wo ein Anderer, der zu früh redete, das Wort verlor (ME211ff), und wie dieser Augenblick (wo der bis dahin immer Schweigende zum erstenmal spricht) auch im Evangelium deutlich hervortritt. In diesem Finden des Wortes, dieser im Wege der Initiation erlangten Vollmacht des Wortes lag und liegt die Kraft, die Geheimnisse des schöpferischen Wortes so auszusprechen, wie sie im Eingang des Johannes-Evangeliums ausgesprochen sind. Über den "Logos" haben viele Mystiker und Gnostiker viel geschrieben; was den Eingangsworten des Johannes-Evangeliums die in aller Literatur einzige Wirkung verleiht, ist dieses, daß wir spüren, wie diese Worte hier aus der  inneren Vollmacht des Weltenwortes selbst hingeschrieben sind, aus einer Vollmacht, die so in der ganzen Menschheitsgeschichte nur einmal da war.

   Auch jener Abschnitt des Markus-Evangeliums, in dem der werdende Johannes das Wort findet, liegt - so erkannten wir damals - im Wort-Zeichen des Stieres (ME211), im gleichen Zeichen, in dem wir dann die Wortoffenbarung im Eingange des Johannes-Evangeliums S173 finden. Auch diese Verbindungslinie einmal zu ziehen, kann Licht über die tieferen, menschheitsgeschichtlichen Zusammenhänge des Evangeliums verbreiten.   Zum Christus-Geheimnis des ewigen Weltenwortes und göttlichen Schöpferwortes gesellt sich da bedeutungsvoll hinzu das Johannes-Geheimnis als das Geheimnis des Menschen, in dem das Weltenwort, das verlorene Wort (wie man es in Mysterien der Menschheit nannte, siehe auch Teil A cap.7) wiederum leben konnte. In der Art, wie diese Tatsache als eine Einweihungs-Tatsache im Johannes-Jünger sich vollziehen konnte, ist zugleich eine Tatsache des großen vorchristlichen Eingeweihten, des Täufers Johannes mit inbegriffen. Wie beide Tatsachen in ihrer inneren Verbundenheit das eigentliche Johannes-Geheimnis darstellen, wurde bereits in dem Buche über das Markus-Evangelium gezeigt (ME45ff u.a.), und wird in der gegenwärtigen Darstellung von immer neuen Gesichtspunkten beleuchtet werden. An dieser Stelle schauen wir zunächst nur darauf hin, wie der Eingang des Johannes-Evangeliums selbst dem Göttlichen in Christus gegenüberstellt die Tatsache des menschlichen Eingeweihten, dem Christus-Geheimnis des ewigen Weltenwortes ("Im Urbeginne war das Wort...", V.1-5) gegenüberstellt das Johannes-Geheimnis ("Es ward ein Mensch, von Gott gesandt..." V6ff - Dem "war" im Anfang, wo vom göttlich-ewigen Sein die Rede ist, steht hier wirksam gegenüber "es ward" (wie die ursprüngliche Lutherübersetzung das griechische noch richtig wiedergibt), wo von der geschichtlichen Erscheinung des menschlichen Eingeweihten gesprochen wird.), und zwar nach seinen beiden Seiten hin, indem  zuerst (ausdrücklich) von Johannes dem Täufer, dann (wenn auch nur in verhüllter Andeutung) vom Johannes-Jünger gesprochen wird (V.12f). Daß dieses nur andeutungsweise, nicht ausdrücklich geschieht, braucht nicht zu verwundern, denn bekanntlich wird im Johannes-Evangelium nirgendwo ausdrücklich, mit Namen vom Johannes-Jünger gesprochen, sondern immer nur in verhüllter Andeutung. Das Persönliche des großen Jüngers und Evangelien-Verfassers (wenn auch nicht die Tatsache dieser S174 Verfasserschaft selbst, vgl. Joh.19,35;21,24.25) tritt im Johannes-Evangelium völlig zurück. Aber tatsächlich wurde die Gotteskindschaft, von der V.12 spricht, zu Lebzeiten des Christus Jesus nur von Johannes, erst nach der Auferstehung auch von anderen Jüngern, von andern überhaupt erlangt (man beachte z.B. die Tatsache, wie auch der Verfasser den Johannes-Namen trug, durch Einweihung ein "Johannes" wurde). Also was da von V.12 ab gesagt wird, gilt zunächst doch in erster Linie vom Johannes-Jünger, als dem in der Einweihung den andern Vorangeschrittener. Das wird am deutlichsten bei dem Satze V.14 "und wir sahen seine Offenbarungsherrlichkeit (doxa)". Das ist nichts Allgemeines, Unbestimmtes, sondern wird am richtigsten ganz unmittelbar auf das Schauen der Sonnenherrlichkeit Christi in der Verkläung auf dem Berge (Mark.9) bezogen, auf jenen Vorgang, von dem schon bei der Darstellung des Markus-Evangeliums (ME205) gesagt werden konnte, daß er darum im Johannes-Evangelium nicht ausdrücklich erzählt wird, weil die "Sonnenherrlichkeit der Verklärung" wie eine Substanz über das ganze Johannes-Evangelium ausgegossen ist. Nur drei Jünger sind hier mit Christus auf dem "Berge": Petrus, Jakobus und Johannes, weil sie in ihrem ganzen Sein mit dem Geheimnis dieses Vorgangs tief verbunden sind. Im Bewußtsein, so sahen wir, erlebt ihn nur Johannes als wirkliche Offenbarung, die andern - darüber spricht das Evangelium ganz deutlich - sind durch das Schauen der Herrlichkeit des Vorgangs so tief entrückt, daß ihr Bewußtsein der "Fülle der Gesichte" nicht standhält, daß sie bis zum Schauen der Offenbarung (und diese liegt sehr wesentlich mit im Begriffe doxa) nicht hindurchdringen. Der Anteil im Sein ist etwas anderes als der Anteil im Bewußtsein (das ist für Jakobus schon ME201 durchgeführt). So trifft der Satz "und wir sahen seine Offenbarungsherrlichkeit" im Sinne des Vollbewußten nur für Johannes zu, und es kann gesehen werden, wie der Verfasser des Evangeliums hier von sich selbst spricht. Er erlebt die Offenbarung des "eingeborenen" (in die Einheit des Ich geborenen) Sohnes "voll von Gnade und Wahrheit", d.h. S175 in der vollen Bewußtseins-Klarheit des Weltenlichtes (dies ist a-letheia "Wahrheit"), die aus der inneren Freiheit heraus sich dem Göttlichen aufschließen kann (charis "Gnade" hat ebenso wie chará "Freude" im Johannes-Evangelium immer mit diesem inneren Freiheitserlebnis zu tun).

   Wie Christus aus der Welt des ewigen Namens herkommt, liegt im Namen Johannes das Einweihungs-Erlebnis, das wieder in sie hineinführt. So liegt ein Sternen-Motiv in dem, was von Johannes gesagt wird (V6): "gesandt war er von Gott": (apostellein) "senden" muß mit lat. stella (Stern" irgendwie verwandt sein, es deutet hier auf Sternen-Zusammenhänge, auf die sternenstrahlende Emanation des Weltenlichtes, das Verbundensein in der Sternen-Harmonie. Christus, das Licht des Welten-Ich, steht im Zentrum des Kreises (vgl. Teil A cap.7), die großen Eingeweihten der Menschheit - in Indien heißen sie "Bodhisattvas", in der Apokalypse die "24 Ältesten" - deren letzter und vorzüglichster in der Zeit unmittelbar vor dem Erscheinen des Christus Johannes der Täufer ist - gehören der Peripherie des Kreises an.

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2. Die Begegnung am Jordan

(Joh.1,19-51) S176

Fische - Jungfrau


S176   Deutet im Auftakte des Johannes-Evangeliums der Stier auf die Offenbarung des ewigen Welten-Wortes im Erden-Urbeginn, der Widder auf die "Fleischwerdung des Wortes", den Eintritt des göttlichen Logos in die Erden-Inkarnation, so ist in der Begegnung des Christus Jesus mit Johannes dem Täufer am Jordan (Joh.1,19ff) die Situation erreicht, die wir aus dem Markus-Evangelium als diejenige kennen, die Sternbilde der Fische (bzw. in der Tierkreis-Achse Fische-Jungfrau) ihre kosmische Orientierung hat (* D.h. eigentlich: im Zeichen der Fische, das aber damals am Sternbilde der Fische kosmisch orientiert war (so wie heute am Sternbilde des Wassermanns). Nicht, als ob damit irgend etwas gesagt sein sollte über die Jahreszeit, in der jene Begegnung stattgefunden hat. Daß grundsätzlich nicht dieses der Sinn jener ganzen Zuordnung der Evangelien-Geschehnisse zu den einzelnen Himmelszeichen sein kann, wurde schon in dem Buche über das Markus-Evangelium deutlich gesagt (ME16). Und im Johannes-Evangelium wäre für eine solche Auffassung erst recht kein Platz, weil der Rhythmus hier zunächst ja überhaupt nicht dem Jahreslaufe folgt, sondern die umgekehrte Bewegungsrichtung - die des großen Weltenjahres - hat. So ist in den ersten Kapiteln des Johannesevangeliums (die in einem ganz besonderen Sinne S177 Mysterien-Kapitel sind) viel eher etwas zu entdecken, wie eine auch inhaltliche Hinordnung zu den (aus der Verschiebung des Frühlingspunktes sich ergebenden) Zeitabschnitten des großen Welten-Jahres, den großen Kulturperioden der Menschheit. So läßt uns das - von Isis-Venus beherrschte - Stierzeichen im Eingang nicht nur hinschauen auf die Erden-Urbeginne, sondern in einem gewissen Sinne auch auf jenes Stierzeitalter der altägyptischen Mysterien, das mit dem Christusgeschehen der Evangelien eine so bedeutsame, auch im Evangelium selbst (Matth.2,15) betonte innere Beziehung hat. Und das ihm folgende Widder-Zeichen der Christus-Erden-Inkarnation läßt uns hinschauen auf die vom Mars-Zeichen Widder beherrschte griechisch-lateinische Kulturperiode, in der die Erden-Inkarnation des Christus ja tatsächlich stattgefunden hat.

   In diesem Sinne würde das über der Begegnung am Jordan stehende Zeichen und Sternbild der Fische (ME65ff) hindeuten auf unser heutiges Kulturzeitalter, als dasjenige, in dem die Offenbarung des Christus im Ätherischen zu erwarten ist. Astronomisch hat der Übergang des Frühlingpunktes vom Sternbilde des Widders in dasjenige der Fische schon in der Zeitenwende, im Zeitpunkt des Mysteriums von Golgatha stattgefunden (manche setzen den Zeitpunkt schon einige Jahrzehnte früher). Wir befinden uns also in der Begegnung am Jordan an der Schwelle desjenigen Zeitalters, das wirklich durch das Sternbild der Fische seine geistige Signatur erhält. Darum wird in altchristlichen Zeiten, wo man noch ein Gefühl für diese kosmischen Zusammenhänge hatte, der Fisch immer symbolisch mit Christus und dem Kreuze von Golgatha in eine Beziehung gebracht. Nicht nur, weil die Anfangsbuchstaben von 'Jesus Christus Gottes Sohn Erlöser' das griechische Wort ichthys "Fisch" ergeben, hat man das Fischsymbol mit Christus verbunden, sondern, weil noch ein Gefühl für jene kosmischen Zusammenhänge da war, hat man die aus jenem Christus-Namen sich ergebende Fisch-Rune als bedeutungsvoll empfunden.
   Im Markus-Evangelium fanden wir das - damals mit dem Zeichen der Fische sich deckende - Sternbild der Fische über S178 der Jordantaufe des Christus, über dem Speisungswunder, über der Verklärung des Christus auf dem Berge - überall da, wo sich das göttliche Leben des Christus hineinopfert in das Irdische. Im Johannes-Evangelium wird es uns vor allem noch als das Zeichen der Fußwaschung (Joh.13, dort wie hier in Verbindung mit dem ätherischen Zeichen der Jungfrau), schon vorher als das Zeichen der "letzten Ölung" begegnen, da wo Maria Magdalena dem Christus die Füße salbt. Tiefstes demutsvollstes Sichherabneigen des Himmlischen zur Erde, ein himmlisches Leben, das sich selbst auslöscht, sich selber ganz an das Irdische hingibt, ins Irdische sich hineinopfert, ist der himmlische Sinn dieses Zeichens (den wir im ruhevollen Dunkel jenes eigenartig stern-armen Sternbildes der Fische wie in der Himmelsschrift anschauen können). 

   Das Sterben des Christus, das Hineinsterben des Gottes in die Erde vollzieht sich nicht erst auf Golgatha, sondern es beginnt schon am Jordan, um dann in der Verklärung (Mark.9) eine noch höhere Stufe zu erreichen (ME193ff). Bedeutungsvoll ertönen da wie dort aus der Welt des ewigen Namens die Worte: "Du bist mein lieber Sohn..." (Mark.1,11;9,7). In der Begegnungs-Episode des Johannes-Evangeliums liegt diese Begebenheit schon in der Vergangenheit. - In einem noch tieferen und intimeren, einem noch mehr esoterischen Sinn als Skorpion und Schütze sind die Fische ein Sterbezeichen; besonders im Anfang des 13. Johannes-Kapitels kommt dieses stark zum Ausdruck (In der Astrologie hat das Zeichen der Fische eine innere (nicht äußere) Beziehung zum "zwölften Hause", als dem Hause der irdischen Gebundenheit und des "schweren Schicksals").
   Im Zeichen der Fische (man denke auch an das griechische ichthys offenbart sich zuerst im Jordan-Ereignis das Ich des Christus selbstlos im Irdischen, dasjenige Selbst, dessen innerstes Wesen die vollkommene Selbstlosigkeit ist. Es ist die Taufe aller Taufen, die hier sich vollzieht, wo im Lichte des höchsten Bewußtseins der Name aller Namen, der Name des Sonnensohnes mit dem sich verbindet, der der Träger des ewigen Namens wird: J-Ch (Jesus Christus).

S179   Der Selbstlosigkeit des Willens in Christus begegnet - auch darin offenbart sich der himmlische Sinn des Fische-Zeichens - in Johannes dem Täufer die Selbstlosigkeit der Erkenntnis: "Ich bin nicht Christus" (V20). Wir müssen kurz überlegen, was es mit diesem Worte auf sich hat: der letzte und höchste vorchristliche Eingeweihte, der erste und einzige, der ganz aus sich selbst den Christus erkennt - denn die Menschen alle, auch die Jünger, erkennen den Christus nicht, auch das Petrus-Bekenntnis (Mark.8,29) ist keine volle letzte Erkenntnis (ME319ff), und der Jünger Johannes wird der Erkenner des Christus eben nur dadurch, daß die Elias-Wesenheit des Täufers sich in ihn hineinopfert, ihn Johannes werden läßt -, der erste und einzige aus eigener Erleuchtung den Christus in der Selbstlosigkeit seines Wesens ("Lamm Gottes") Erkennende, Johannes der Täufer, der dem nachmaligen Träger der Christuswesenheit von Welten-Urbeginnen her in der Sternenharmonie Verbundene (ME66), aus dieser Sternenharmonie in die Menschheit Entsandte (siehe den Schluß des vorigen Kapitels) hat da, wo jeder Geringere, nur eines Teiles jener Sternengnade Gewürdigte sich selbst in Vermessenheit für Christus ausgegeben hätte, die Bescheidenheit der Erkenntnis: "Ich bin nicht der Christus". Daß es unter den gegebenen Verhältnissen auch für den großen Eingeweihten etwas Schwieriges war, das scheinbar Negative dieser Erkenntnis zu finden, daß es etwas Großes und Einzigartiges war, sie in dieser Bescheidenheit und Selbstlosigkeit auszusprechen, das sollten wir hindurchfühlen können. In Johannes dem Täufer hat, unmittelbar vor Christus, die vorchristliche Mysterien-Einweihung ihre letzte und höchste Spitze, in ihm bricht sie sich zugleich selbst ihre Spitze ab, ringe sie sich hindurch zur höchsten und schwersten aller Überwindungen, um sich selbst, ihr eigenes Wesen, den Inbegriff aller vorchristlichen Mysterien-Substanz ganz hinzuopfern und hinüberzuopfern in die Sphäre der christlich-johanneischen Einweihung, die jetzt im Aufgang für die Welt begriffen ist, um durch dieses ihr Opfer das Werden des großen christlichen Eingeweihten, des S180 Jüngers Johannes zu ermöglichen. Auch dieses selbstlose Mysterien-Opfer Johannes des Täufers steht im Zeichen der Fische, offenbart den himmlischen Sinn dieses Zeichens. Darum verneint er auch mit innerer Folgerichtigkeit die Frage, ob er Elias sei (Joh.1,21), weil die Elias-Wesenheit in ihm sich schon in die Christus-Sphäre hinüberzuopfern begonnen hat. Vielleicht lebte die Tatsache, daß die Wesenheit des großen Wegbereiters und Christus-Vorläufers, die Elias-Wesenheit in ihm war, nie voll in seinem Bewußtsein, nur der Christus selbst hat von ihm diese Erkenntnis und spricht sie seinen Jüngern gegenüber aus (Matth.11,14;17,12.13;Mark.9,13;Luk7.27;vgl.auch Luk1,17). Ihren höchsten Ausdruck im Evangelium findet die Selbstlosigkeit und Selbstentäußerung des großen vorchristlichen Eingeweihten in dem Worte des Täufers, daß er nicht wert sei "dem Christus die Riemen seiner Schuhe aufzulösen". Auch darin offenbart sich das Tierkreiszeichen der Fische (der Füße am menschlichen Körper, ME66).

***

   In den ersten Kapiteln des Johannes-Evangeliums sehen wir den Christus, ehe er - das ist erst gegen das fünfte, sechste, siebente Kapitel hin - gleichsam den niederen Boden der gefallenen Menschheit betritt, durch eine Reihe noch über diesem niederen Menschlichen liegender Sphären hindurchgehen, durch verschiedene Mysterien-Sphären hindurch seinen Herabstieg in die Menschheit erst allmählich vollziehen. Die erste und höchste aller Mysterien-Begegnungen findet statt mit dem die letzte Substanz und Quintessenz der vorchristlichen Einweihung in sich tragenden Täufer Johannes. Es ist diese Begegnung nicht als eine nur geistige zu denken, sie muß eine ganz physische gewesen sein; aber alles in der äußeren Erzählung ist zugleich Bild für Geistiges. Dieses Geistige spricht sich aus im Tierkreiszeichen der Fische. Das offenbart sich besonders im Hinschauen auf das Markus-Evangelium, von dem wir hier überall ausgehen: aus den dunkeln Regionen des Steinbocks und Wassermanns, dem Gebiete der Seelen-S181-Einsamkeit und Ich-Verlassenheit sich emporwendend zum Weltenlicht, begegnet Johannes der Täufer im Zeichen des großen Übergangs vom Finstern zum Lichte, im Zeichen der Fische, dem Christus-Sonnen-Wesen; aus dem Kosmischen, aus der Lichtregion Stier-Widder sich herabwendend, kommt der Christus selbst herunter ins Irdische. Im Zeichen der Fische begegnet sich der Auftakt des Markus-Evangeliums mit demjenigen des Johannes-Evangeliums. Nicht die Sonne selbst ist Herrscherin im Zeichen der Fische - dieses Zeichen ist ja gerade dasjenige der höchsten Selbstentäußerung des Sonnenwesens, seines Sichherablassens zur Erde und Hinopferung ans Irdische. Aber der das Zeichen der Fische beherrschende Jupiter-Planet weist hin auf jene Sphäre der "alten Sonne", mit deren geistiger  Wesenheit der Christus ursprünglich verbunden ist (siehe darüber die Planetenkapitel Teil A cap.2+3). Er ist zugleich der Planet, der mit allem zu tun hat, was der Herabstieg ins Irdische, das Sichumkleiden mit den irdisch-physischen Hüllen ist. Über der Jordanbegegnung und Jordantaufe, wie dann auch über der (im Johannes-Evangelium nicht ausdrücklich erzählten) Verklärung des Christus auf dem Berge leuchtet das Mysterium der alten Sonne als "Christus-Sonnen-Herrlichkeit" (ME196).

   An die Begegnung mit der Mysterien-Sphäre des Täufers Johannes, des letzten großen vorchristlichen Eingeweihten, schließt sich die Begegnung mit denjenigen, die nunmehr berufen sind, als Jünger Christi die Träger der neuen, der christlich-johanneischen Einweihung zu werden. Wie für die alte Einweihung das Stehen über dem Irdischen, ist für diese neue christliche Einweihung das Sichherabneigen zum Irdischen, das Aufnehmen, Durchdringen, Verwandeln und Verklären des Irdischen das Wesentliche. Darum steht diese neue christliche Einweihung - das ist auch von Rudolf Steiner ("Exkurse zum Markus-Evangelium"GA124) ausgesprochen worden - auch als solche geistig im Zeichen der Fische (Richtiger vielleicht: es kann gesehen werden, wie die drei Zeichen des johanneischen Dreiecks: Fische, Krebs und Skorpion-Adler eine Beziehung zur christlichen Einweihung haben.), während die Einweihung Johannes des Täufers S182 (R.Steiner ebenda), die "Wassertaufe des Johannes", geistig im Zeichen des Wassermanns stand, eine Wassermann-Einweihung war. (Der "Wassermann" ist der geistig-ätherische Urmensch, und im Untertauchen in die Fluten des Jordan erlebten die Getauften dieses ihr geistig-ätherisches Urbild). Auf dieses ätherische Erlebnis der "Fische" bezieht sich bei Markus (1,16ff) und den andern "Synoptikern" (vor allem Matth.4,18ff, vgl. auch Luk5 im Anfang) auch jene in Bildern von Fischern, Fischerkähnen, Fischnetzen und Fischzug gegebenen Erzählung von der Berufung der ersten Jünger. Das hier, wie in vielen andern Fällen, dem Äußerlich-Geschichtlichen der Vorgänge näher kommende Johannes-Evangelium (ME15,73) erwähnt von Fischerkähnen und Fischnetzen nichts. Es läßt mehr die Tatsache hervortreten, daß der Christus die ersten Jünger aus der Mysteriensphäre einer älteren Einweihung heraus sich sucht, jener Einweihung, die jetzt durch ihn aus ihren älteren Formen in die neue (christlich-johanneisch) Form hinübergeleitet wird, die vom Geistigen des Fische-Zeichens beherrscht ist.

   Daß der erste Jünger (zur Jüngerschaft Berufene), auf den das Auge des Christus fiel, der spätere Johannes-Jünger war, ist aus dem Wortlaut des Johannes-Evangeliums nicht "exakt zu beweisen", kann aber nach Joh.1,35 mit 1,40 dennoch als wahrscheinlich gelten, und entspricht der Tatsache, daß der geistige Verfasser (oder Inspirator) des Johannes-Evangeliums sich dort ja niemals selbst mit Namen nennt, sondern stets mit seiner Person zurücktritt. Es gehört zu den bedeutsamen Zusammenhängen des Evangeliums, daß - ähnlich wie schon der Eingang - auch die ihm folgende Erzählung des ersten Johannes-Kapitels von Johannes dem Täufer sich unmittelbar hinüberwendet zu demjenigen, der dann später der Johannes-Jünger wird. Denn nicht Johannes - das wurde hier immer betont (ME46f) - ist sein ursprünglicher Name, er heißt nicht schon ursprünglich Johannes, sondern er wird es erst.
   Wer war es dann, der hier als Erster mit Andreas dem Christus am Jordan begegnet? (War es "Lazarus"? (Vgl. S183 über diese Probleme ME51ff). Auch hier wird sich immer deutlicher zeigen, wie auch "Lazarus" nicht im gewöhnlichen Sinne ein "Name" ist, sondern auf jenes schon in der Darstellung des Markus-Evangeliums eine Hindeutung enthält. Er, der uns Joh.1,34.30 ohne Namensnennung begegnet, ist zunächst (gleichviel, wie er vorher geheißen haben mag) im spirituellen Sinne wirklich der "namenlose Jünger", der seinen wahren Namen erst durch die Johannes-Einweihung erhält. Seine Mysterien-Sphäre also, mit der sich hier der Christus am Jordan berührt, war diejenige des "Sohnes der Wittwe" - darum seine spätere "Erweckung" durch die Elias-Johannes-Kraft. (Näheres über diese Mysteriensphäre ME280ff). Am Jordan, in seinem Zusammensein mit Johannes dem Täufer, dessen Jünger er eine Zeitlang gewesen zu sein scheint, findet er die Begegnung mit der sein eigenes Wesen ergänzenden und erfüllenden Elias-Johannes-Sphäre, die sich ihm durch Christus in einem immer lebendigeren, zukunfttragenderen Sinn erschließt.

   Der mit ihm, und noch vor Simon Petrus Genannte ist Andreas, der späterhin für die östliche Kirche dasselbe bedeutet, wie Petrus für die westliche (ME74). Andreas und Petrus gehören, wie auch Philippus, der Mysteriensphäre des Ostjordanlandes an (Joh.1,44). In diesem Gebiete waren noch viele Kräfte eines älteren, atavistischen Hellsehens lebendig, die "heilige Mutter Asien" war dort in der ganzen Atmosphäre des Landes noch spürbar. Es ist von Bedeutung, daß auch die Begegnung zwischen dem Christus Jesus und Johannes dem Täufer im Ostjordanland stattfindet. Erst später führt den schon innerlich hinsterbenden, den Todeserlebnissen entgegengehenden Täufer der Zug der Seele nach Enon, von Osten nach Wesen (Joh.3,23).
   Ein Geheimnis liegt darin, wie der Mysterien-Sphäre des Täufers Johannes als derjenigen des Wassermanns (wo der finstere Saturn - siehe die Planetenkapitel A2+3 - mit den Lichtgeheimnissen des Uranus, des oberen Sternhimmels sich verbindet) gegenübersteht die geistige Sphäre des Petrus als diejenige des dunkeln, von Saturn allein beherrschten S184 Steinbocks (ME199 Anm.317 - Genauer: Die Sphäre des Täufers ist Steinbock + Wassermann, diejenige des Petrus der Steinbock allein). Es ist das die Sphäre der alten Einweihung, in der auch die "Erleuchtung", das geistige Erwachen des Buddha sich vollzieht (ME268Anm.). Der Steinbock, das Zeichen des "Lichtbringers" (Luzifer) ist die Sphäre auch für die Erleuchtung des Buddha (Wie die Buddha-Einweihung im nächtlichen Zeichen des Steinbocks, vollendet sich die christliche Johannes-Einweihung im lichten Gegenzeichen des Krebses, das mit Fische und Skorpion zusammen das johanneischen Dreieck bildet, siehe Teil A cap.5).

   Einen unmittelbaren Hinweis auf diese Erleuchtungs-Sphäre des Buddha enthält, wie schon Rudolf Steiner betonte, die den Schluß des ersten Johannes-Kapitels bildende Geschichte von Nathanael und dem Feigenbaum (der ja das Symbol der Buddha-Erleuchtung war, ME264ff - Vgl. auch des Verfasser Schrift "Von Buddha zum Christus" S4ff). Die Sphäre des Nathanael ist die letzte der Mysterien-Sphären, mit denen sich Christus im ersten Johannes-Kapitel in bedeutsamer und zukunfttragender Weise berührt. Daß Nathanael, der in der Auferstehungsgeschichte (Joh.21,29 nochmal erscheint, ein hier nur mit einem andern Namen als sonst benanntes Mitglied des Zwölferkreises (vgl. die Namen Mark.3,16-19) gewesen wäre, ist nicht sehr wahrscheinlich; vielmehr erscheint er als ein Angehöriger jener esoterischen Kreise, denen, außer dem späteren Johannes-Jünger, auch Nikodemus und Josef von Arimathia angehörten, als eine jener Persönlichkeiten also, die, wie auch Maria Magdalena und ihre Schwester Martha, einen spirituell-intimen Anteil an dem ganzen Christusgeschehen jener "drei Jahre" hatten (vgl. Joh.19,38.39), ohne als Mitglieder des Zwölferkreises unmittelbar Träger der werdenden Kirche zu werden. Waren die Jünger des Zwölferkreises bestimmt, mehr nach außen zu wirken, so wirkten jene andern Persönlichkeiten mehr esoterisch, nach innen. Der spätere Johannesjünger war der einzige, der beide Seiten des Wirkens in vollkommener Weise in sich vereinigte.
   Die Nathanael-Szene (Joh.1,46-51) ist dadurch S185 bemerkenswert, daß der Christus Jesus mit demjenigen, den er als Angehörigen bestimmter Mysterienkreise erkennt, die Mysterien-Sprache spricht (die Einzelheiten bei Rudolf Steiner im ersten Zyklus über das Johannes-Evangelium), ein Motiv, das uns auch weiterhin im Johannes-Evangelium, bei Nikodemus im dritten Kapitel, bei der Samariterin im vierten in bedeutsamer Weise begegnen wird. Als Buddha unter dem Feigenbaum die "Erleuchtung" fand, neigten sich noch einmal die geistigen Weltwesenheiten, die himmlischen Hierarchien dem Menschen, um sich dann, mit dem Hinschwinden des alten hellsichtigen Schauens, immer mehr von ihm zurückzuziehen (vgl. den Aufsatz "Buddhas Hingang" in des Verfassers im gleichen Verlag erschienener Schrift "Aus der Welt der Mysterien S88). Es war das letzte, noch die Urwelt-Größe in sich tragende, "Erlebnis der höheren Welten" in der vorchristlichen Zeit des Menschheits-Abstiegs. Christus weist den in den Buddha-Mysterien bewanderten Nathanael darauf hin, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wo ein neu-erschlossene hellsichtiges Auge der Menschheit wiederum durch die "offene Tür" (Joh.10,9; Apok.3,8), durch die "Himmelsleiter" auf und nieder schreitenden Engelwesenheiten schauen und ihn dann in ein Ich-bewußtes Schauen verwandeln werde. In diesem neuen Schauen offenbart sich dann in dem vom Vatererlebnis zum Sohneserlebnis im Ich vorgeschrittenem Menschenbewußtsein der neue höhrere Mensch, des "Menschen Sohn" (Joh.1,51). Wir erkannten darin das entscheidende Motiv des 1. Johannes-Kapitels (Teil A cap.6).

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   Mit dem Ich-Motiv im Zeichen der Fische - die jetzt gleichsam das Geburtszeichen, der himmlische "Aszendent" der mit dem Mysterium von Golgatha anhebenden neuen Geburtsstufe des Erdplaneten, der neuen Christus-Ära werden - verbindet sich im Gegenzeichen der Jungfrau - die dann als "Deszendent" in einem Welten-Horoskop dastünde - ein Motiv des Ätherischen. Schon in der Betrachtung des Markus-Evangeliums (ME70) S185 ist auf diese "ätherische Seite" des Jordangeschehens hingewiesen worden. Und noch mehr, als beim Markus-Evangelium, haben wir beim Johannes-Evangelium immer die ganze jeweilige Achse des Tierkreises, die Verbindung von Zeichen und Gegenzeichen, ins Auge zu fassen. Damals wurde auf eine bedeutsame Stelle im Kasseler Zyklus über das Johannes-Evangelium (10.Vortrag S6-10) hingewiesen. Wir sehen da das "Mysterium der Jungfrau" leise in das Jordangeschehen hereinragen. Aus dem alten Isis-Mysterium der "Jungfrau mit der Ähre" (ME104ua.), dem Lebensbrote und Lebenskelche, ist jetzt im christlichen Geschehen das Marien-Mysterium der Jungfrau und Mutter geworden. Jungfräuliche Kräfte des kosmischen Lebensäthers, die einst wie eine Sternen-Wegzehrung aus Weltenfernen empfangen wurden, offenbaren sich jetzt in der Ich-Sphäre des Menschensohnes. Eine solche neue Offenbarung kosmischer Jungfräulichkeit lag schon in der im Lukas-Evangelium erzählten Jesus-Geburt, der Geburt des Sohnes der frühverstorbenen kindlichen Mutter. Über dieser Kindlich-Jungfräulichen und Ätherisch-Jungfräulichen, der schon der Geburtsgeschichte des Bodhisattva, des nachmaligen Buddha, des Sohnes der Máyá, eigen ist. Etwas wie kosmische Jungfräulichkeit aus Christus-Welten schenkt sich derjenigen, die im Begriffe ist, in unschuldiger Unbewußtheit der irdischen Vorgänge die Mutter des künftigen Christusträgers zu werden. Und etwas von derselben kosmisch-jungfräulichen Kräftewirkung senkt sich, wenn wir Rudolf Steiners Andeutung folgen, mit dem Herabstieg der Christuswesenheit, also mit dem Jordan-Ereignis, auf die andere Mutter herab, die nach dem frühen Hingang der ersten kindlichen Mutter die Pflegemutter dessen geworden ist, der jetzt die leibliche Hülle des Sohnes der kindlichen Mutter trägt (Über das "Mysterium der beiden Jesusknaben" vgl. Rudolf Steiners Schrift "Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit" GA... (und GA...), dazu die lichtvollen Ausführungen in Emil Bocks "Beiträgen zum Verständnis des Evangeliums", 2.Reihe Nr.24: "Das Mysterium der Kindheit Jesu. Die beiden Jesusknaben"). Das nicht mit ausdrücklichen Worten S187 im ersten Johannis-Kapitel angedeutete Mysterium liegt mit in der Konstellation dieses Kapitels (Fische-Jungfrau). Und es deutet das mit dem Zeichen der Fische als Gegenzeichen verbundene Zeichen der Jungfrau im weitesten Sinne überhaupt auf die durch den Sündenfall im Paradies dem Menschen verloren gegangene Kraft des höheren Lebensäthers (das ist der Sinn des "Verbots", weiterhin vom Baume des Lebens zu essen, Gen.3,22-24), die sich jetzt im Herabstieg des Christus aus den oberen Welten von neuem der Menschheit schenkte, und künftig im Ich erzeugt, im Ich empfangen wird ("Ich bin das Brot des Lebens"). Das Motiv der Jordantqaufe verbindet sich mit demjenigen des (in der gleichen Konstellation stehenden) Speisungswunders (Mark.6).

   Damit berühren wir schon am Schlusse des ersten Johannes-Kapitels die Mysterien-Sphäre der Mutter und Jungfrau, die in dem nun sich anschließenden zweiten Kapitel, im Hochzeitswunder von Kana, weiterhin von Bedeutung ist.

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3. Das Hochzeitswunder von Kana

(Joh.2)

Wassermann - Löwe


Getrost, das Leben schreitet zum ew'gen Leben hin,

Von inn'rer Glut geweitet verklärt sich unser sinn.

Die Sternwelt wird zerfließen zum goldenen Lebenswein;

Wir werden sie genießen und lichte Sterne sein.

Novlis in "Hymnen an die Nacht"


S188  Der Fortgang des dem großen Weltenjahre entsprechenden Bewegungsrhythmus, wie er sich für das Johannes-Evangelium bis dahin ergeben hat, würde von der Konstellation Fische - Jungfrau, in der das erste Kapitel schloß, im zweiten nach der Konstellation bzw. Tierkreis-Achse Wassermann - Löwe hinüberführen: an die Fische als das erste der im Welten-Rhythmus (nicht im Jahres-Rhythmus) nach abwärts führenden unteren, dunkeln Tierkreiszeichen würde sich jetzt der Wassermann als das nächstfolgende, zweite dieser Zeichen anschließen. Darauf weist das große Motiv dieses Kapitels "Christus verwandelt Wasser des Unpersönlich-Ätherischen in den Wein des Persönlich-Ich-Durchdrungenen" auch ganz deutlich und offensichtlich hin. Das schon im Matthäus- und Markus-Evangelium enthaltene Motiv der Johannes-Worte "Ich taufe euch mit Wasser, Er aber wird euch mit dem heiligen S189 Geist und mit Feuer taufen" weist in die gleiche Richtung und wurde schon in der Darstellung des Markus-Evangeliums mit dieser Konstellation und der "Hochzeit von Kana" in Verbindung gebracht (ME29,63): dem "Luft-Zeichen" und Lichtäther-Zeichen Wassermann entsprechen da die "Wasser des Ätherischen" als das Element des noch über der Erde lebenden unpersönlich-ätherischen "Menschen der Urbeginne", dem in der Achse des Tierkreises gegenüberliegenden Feuer-Zeichen Löwe entsprechen die feurigen Kräfte des (im Wein sich offenbarenden) Sonnen-Blutes, des Blutes überhaupt, die im Wärmeelement sich entzündenden Ich-Kräfte und Herzenskräfte, zuletzt auch die Kräfte des vom Ich durchdrungenen, vom Ich aus umgewandelten und (bis ins Blut hinein) erneuerten Physischen, des "Geistmenschen" (Atma).

   Mit dem Zeichen des Wassermanns fanden wir das Geheimnis der Wassertaufe des Johannes überall tief verbunden. Das ätherische Lebens- und Schicksalspanorama (darüber hat Rudolf Steiner öfter gesprochen), ähnlich wie der die Todesnähe erfühlende Ertrinkende oder Abstürzende schaute da der in die Fluten des Jordan Untergetauchte, in die Lichtregionen des geistig-ätherischen Urmenschen, in die Uranus-Region des Wassermanns fühlte er sich da entrückt. So stehen die Geheimnisse der Taufe und ihrer lichten, kosmisch-ätherischen "Urgewässer" (die in den "Wassern der Geburt" wiederum ihr Bild und Gleichnis haben) auch über dem Kapitel von der Hochzeit von Kana im Johannes-Evangelium: die dort (V.6+7) erwähnten "Wasserkrüge" sind nichts anderes als Taufkrüge, die dort erwähnte jüdische "Reinigungs-Zeremonie" nichts anderes als ein Tauf-Ritual (doch hier nicht im Sinne eines alltäglichen, sondern eines Mysterien-Ritus). So wie im Johannes-Evangelium überhaupt immer wieder Motive eines Kapitels, die dort zuerst angeschlagen wurden, in die folgenden Kapitel hinüberwirken und hinüberklingen, dort weiter verarbeitet werden, so wirkt das "Motiv der Taufe" aus dem ersten, dem Jordan-Kapitel, herüber in das zweite, in das Kapitel der Hochzeit von Kana. Das alles liegt im Zeichen des Wassermanns: in die uranischen Lichtgebiete der S190 "kosmischen Urgewässer", des ätherischen Menschen-Ursprungs läßt uns das zweite  Johannes-Kapitel auf der einen Seite hinaufschauen (vgl. über diese Beziehung des ätherisch-astralischen Menschen-Ursprungs zum Zeichen und Sternbilde des Wassermanns auch Rudolf Steiners Zyklus "Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt" (GA110) und das Urwort-Kapitel im gegenwärtigen Buche (Teil B,cap.1 - s.o.)). Dem "Ätherisch-Astralischen", d.h. Sternenhaften jenes Zeichens entspricht das über die Uranus-Zusammenhänge früher (in den Planetenkapiteln A2+3) Bemerkte.

   Wie die im Johannes-Evangelium überall besonders wichtige und hervortretende Gegenüberstellung von Zeichen und Gegenzeichen, in diesem Falle also von Wassermann und Löwe deutlich erkennen läßt, handelt es sich aber bei diesen ersten "Mysterien-Kapiteln" des Johannes-Evangeliums (siehe Teil A, cap.4+6) - und auch Joh2, die "Hochzeit von Kana" (bei der es sich nicht nur um eine "gewöhnliche Hochzeit" handelt) ist im eminentesten Sinne ein solches "Mysterien-Kapitel" - nicht nur um Rückblicke in Urvergangenheit, sondern zugleich um bedeutsamte Ausblicke in Menschheits-Zukunft. So ist die Zukunft, auf die das erste Johannes-Kapitel mit seiner Fischekonstellation hinweist, heute, im Fische-Zeitalter, schon Gegenwart geworden. Das zweite Kapitel mit seiner Konstellation Wassermann-Löwe weist in eine Zukunft, die auch heute noch Zukunft ist, und zwar, wie sich noch zeigen wird, je nach dem Gesichtspunkt, von dem wir ausgehen, eine nähere oder fernere Menschheitszukunft. Darin liegt ja eben das Bedeutsame der Tatsache, daß in den ersten, den "Mysterien-Kapiteln" des Johannes-Evangeliums der kosmische Rhythmus dem des großen Weltenjahres folgt: wir werden da in gewaltigen prophetischen Ausblicken darauf hingewiesen, wie sich durch Christus Menschheits-Urvergangenheit in nähere und fernere, ja fernste Menschheits-Zukunft hinüberträgt. Bis in das vierte Kapitel hinein wenigstens ist dieser Gesichtspunkt von Bedeutung.

   An diesem Punkte ist es wichtig, hinzuschauen auf eine Tatsache, die Rudolf Steiner im 1. Zyklus über das Johannes-Evangelium (GA103) am Schlusse des 4. und 10. Vortrags angedeutet S191 hat. Er spricht davon, wie eigentlich schon die Worte "am dritten Tage", mit denen das zweite Johannes-Kapitel anhebt, auf Mysterien-Zusammenhänge hinweisen, wie sie eigentlich der Mysteriensprache angehören. "Für den in der Einweihung Begriffenen", sagt Rudolf Steiner an der ersten der angeführten Stellen (IV15), "enthüllt sich Tag für Tag eine Wahrheit nach der andern. Eine wichtige Wahrheit enthüllt sich z.B. immer am dritten Tage". Und an der andern Stelle (X10) spricht er von bedeutungsvollen Zusammenhängen dieser an bestimmten Tagen verlaufenden Einweihungs-Erlebnisse  mit dem Weltgeschehen. Der Schreiber des Johannes-Evangeliums weise mit dieser Wendung ("am dritten Tage") darauf hin, daß es sich "nicht nur um ein wirkliches Erlebnis handle, sondern zu gleicher Zeit noch um eine große, gewaltige Prophetie. Diese Hochzeit drücke aus die große Menschheitshochzeit, die sich in der Einweihung zeigte am dritten Tage". Am ersten Tag, heißt es weiter, enthüllten sich bestimmte Geheimnisse der Vergangenheit, Geschehnisse, die sich beim Beginn der damaligen Menschheitsperiode ("also beim Übergang von der dritten in die "vierte Kulturperiode" im Sinne anthroposophischer Geschichtsbetrachtung) abspielten, am zweiten Tage bestimmte Vorgänge einer damaligen Zukunft, die heute schon Gegenwart bzw. Vergangenheit geworden ist (Übergang der vierten in die fünfte Kulturperiode), und am dritten Tage Geschehnisse, die auch heute noch in der Zukunft liegen, die mit dem Übergang der heutigen fünften in die folgende sechste Kulturperiode, in die Zeit der "Manas-Kultur", der Entwicklung des "Geistselbstes" zu tun haben.

   Was hier Rudolf Steiner einfach aus geistiger Forschung, ohne ausdrückliches Hinschauen auf den kosmischen Rhythmus der Tierkreiszeichen über den Sinn und die Zusammenhänge des zweiten Johannes-Kapitels sagt, deckt sich in sehr bemerkenswerter Weise mit dem, was der kosmische Rhythmus der Himmelsschrift für dieses Kapitel offenbart. Denn wie das Zeichen Fische auf die heutige "fünfte nachatlantische Kulturperiode", als das "Fische-Zeitalter", weist das über dem zweiten Johannes-Kapitel stehende Zeichen Wassermann auf die noch vor uns liegende S192 sechste Kulturperiode als das Wassermann-Zeitalter hin. Dabei ist wiederum ein doppelter Gesichtspunkt möglich. Einmal der anthroposophische der "Kulturperioden", die erst dann voll und ganz die Signatur eines bestimmten Zeichens tragen, wenn der Frühlingspunkt die Mitte des betreffenden Sternbilds bereits überschritten hat. In diesem Sinne würde es sich bei der "Wassermann-Epoche" als der eigentlichen "sechsten Kulturperiode" (auf die "sechs" scheint auch die Anzahl der Wasserkrüge Joh.2 hinzuweisen) noch um eine Zukunft von Jahrtausenden handeln. Oder der rein-astronomische Gesichtspunkt, das einfache Hinschauen darauf, wann der Frühlingspunkt aus dem Sternbild der Fische, in dem er heute noch sich findet, in dasjenige des Wassermanns hinübergeht - so wie der Übergang vom Widder in die Fische die Stunde des Mysteriums von Golgatha war (schon dieses Beispiel zeigt, daß es sich auch hier nicht nur um etwas "Bloß-Astronomisches", sondern zugleich um etwas im aller-eminentesten Sinn spirituell Bedeutsames handelt). In diesem Sinne wäre der Anbruch des "Wassermann-Zeitalters" eine heute gar nicht mehr so außerordentlich ferne Zukunft, sondern eine solche von nur etwa (Daß hier eine präzise Formulierung nicht möglich ist, liegt einfach daran, daß, wie schon in der Einleitung betont wurde, die Grenzen und Übergänge der Sternbilder eben nicht so gleichmäßige und bestimmte sind, wie diejenigen der mathematisch präzis auf 30 Grad sich berechnenden "Zeichen".) 150 Jahren. So wird das, planetarisch von Saturn-Uranus beherrschte (A cap.2,3) Wassermann-Zeitalter schon lange vor dem Eintritt der eigentlichen "sechsten Kulturperiode" geistig spürbar sein, seine Schatten gleichsam vorauswerfen. Das ist in gewissem Sinne schon heute der Fall. Sternenkräfte ("Uranus-Kräfte") werden, so wie auch die Apokalypse dieses meint, schon heute immer mehr im Irdischen spürbar. Die Zeit ist nicht mehr so ferne, wo die Menschheit von den gewaltigen Wandlungskräften und Wandlungswundern und Wandlungskrisen der "Hochzeit zu Kana", der großen Menschheits-Hochzeit etwas erleben wird...

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S193   Damit berühren wir bereits ein weiteres, bedeutsames Motiv, das in der "Hochzeit von Kana" zu uns spricht, eben das Motiv der "Wandlung von Wasser in Wein", der Wandlung überhaupt. Der Löwe in der Konstellation Wassermann - Löwe spricht, abgesehen von allem andern, was er uns sonst zu sagen hat, auch vom alchimistischen Geheimnis des "roten Löwen", das uns in den "okkulten Figuren" der alten Rosenkreuzer auf Schritt und Tritt begegnet*...

(* Eine hauptsächliche Erkenntnisquelle für alle diese Dinge liegt in den jetzt neu erschienenen bzw. aufgelegten "Geheimen Figuren der Rosenkreuzer" des Henricus Mathadamus Theosophus aus dem 18. Jhdt.. Rudolf Steiner hat in den Neuchateler Vorträgen

(GA130) über Christian Rosenkreuz auf ihre zeitgeschichtliche Bedeutung hingewiesen. Auch in Goethes Faust (Osterszene Faust I) finden wir den

alchimistischen "Roten Löwen".)


... Von der "Verwandlung von Wasser in Wein" bei der Hochzeit zu Kana (Joh.2) bis zu der vom Speere des Longinus geschlagenen Seitenwunde des Gekreuzigten, der Wasser und Blut entströmt (Joh. 19,34) zieht sich das Motiv der alchimistischen Erden-Verwandlung wie ein roter Faden durch das Johannes-Evangelium, und wir fühlen dabei, wie das "Motiv von Wasser und Wein" dem von "Wasser und Blut" (das uns zuerst in der Geschichte von Moses und den "ägyptischen Plagen", zuletzt in der Apokalypse begegnet) innigst verwandt ist, wie im Blute (dem im Pflanzenreich wiederum das "Sonnenblut der Reben" wie auch der rote Rosensaft entspricht) ein Geheimnis der Ich-Wirkung im Physischen sich ausspricht. Insoweit es sich wirklich um Vorgänge alchimistischer Substanz-Verwandlung dabei handelt, berühren wir hier ein Geheimnis, das bis auf weiteres auch ein solches bleiben muß. Manches, so fühlen wir, liegt hier zwischen den Worten des Evangeliums, was wir heute noch nicht entziffern, noch nicht eindeutig lösen können. Bei der "Verwandlung von Wasser in Wein" - wenn wir sie nicht nur subjektiv verstehen - *...


(* Im zweiten (Kasseler) Zyklus über das Johannes-Evangelium (9.Vortrag S8 - GA112) erklärt Rudolf Steiner das Geschehnis zunächst anscheinend nur subjektiv - die Hochzeitsgäste hätten, von der Ich-Wirkung des Christus berührt, Wasser wie Wein getrunken -, fügt aber dann eine Seite später doch ein sehr bedeutsames Motiv hinzu, nämlich, daß es darauf ankam, daß in die anfänglich leeren Krüge Wasser frisch

aus den Quellen der Natur geschöpft wurde, ein Wasser, das die inneren Kräfte des elementarischen Naturzusammenhangs noch nicht verloren hatte. Damit ist auf ein Motiv der alchimistischen prima materia ganz leise und wie von ferne hingedeutet. Im andern, früheren Zyklus (GA103,5.Vortrag) wird von der "Verwandlung von Wasser in Wein" noch in einer mehr objektiven Weise gesprochen.)


...schockiert unser heutiges Bewußtsein das anscheinend "Naturwissenschaftlich-S194-Unmögliche", beim Entfließen von "Blut und Wasser" aus der Seitenwunde empfinden wir heute umgekehrt "nichts Besonderes", obwohl doch der Evangelist von diesem Vorgang wie von einem Wunder spricht (Joh.19,35). Hier wie dort muß des Rätsels Lösung irgendwie hinter den Worten des Evangeliums oder zwischen ihnen liegen, hier wie dort muß es in eine sehr ähnliche, einheitliche Richtung weisen. Nur äußerlich-wörtlich können wir das Evangelium an beiden Stellen nicht verstehen. Nicht, weil wir für diese mehr äußere Seite der Vorgänge - für die Frage: was ist damals zu Kana eigentlich, rein äußerlich betrachtet, geschehen? - kein Organ hätten, sondern weil die hier verborgenen Probleme der Erden-Alchimie heute noch nicht spruchreif sind, werden wir im folgenden mehr die geistige Seite der Vorgänge, das geistig-alchimistische Wandlungsproblem berühren, und weil nur von dieser geistigen Seite die Möglichkeit besteht, dereinst einmal auch der irdischen Seite des Problems näher zu kommen. Auch da, wo in Schriften früherer Jahrhunderte, zu denen wir heute den Schlüssel nicht mehr haben, diese Probleme der Erden-Alchimie berührt werden, geschieht dieses, insoweit es sich um echte Darstellungen handelt, vielfach unter Hinweisen auf die Bibel, vor allem das Johannes-Evangelium und die "Hochzeit von Kana" und das Entscheidende des Vorgangs wird da immer im Bilde der Hochzeit, der chymischen Hochzeit geschildert...*


(* So vor allem in der, in den oben angeführten "Rosenkreuzer-Figuren" enthaltenen bilderreichen und tiefsinnigen "Parabola", die ein Hauptdokument der hier gemeinten Forschungsrichtung ist. Besonders bemerkenswert berührt dabei der ganz offensichtliche

Zusammenhang vieler bekannter Märchenbilder mit jener alchimistisch-rosenkreuzerischen Bilderwelt, so vor allem des "Schneewittchen", der "Kristallkugel", "Schneeweißchen und Rosenrot", "Die sieben Raben".)

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S195   Wenden wir uns von hier wiederum der "Hochzeit von Kana" zu, so wurde die Tatsache, daß es sich da nicht nur um eine "gewöhnliche Hochzeit", sondern um Mysterienvorgänge und Mysterienzusammenhänge handelt, bereits berührt. Wohl mag es, dort in Galiläa, weit abseits von Jerusalem und der jüdischen "Hochesoterik", ein Kreis einfacher, schlichter Menschen gewesen sein, in den wir da im Johannes-Evangelium geführt werden, aber doch eben ein "Mysterien-Kreis", ein Kreis von Menschen, der auf seine Weise, in einer freieren, universalmenschlicheren Art, als dies zu Jersusalem möglich gewesen wäre, gewisse Kulte und Traditionen pflegte, die mit dem alten vorchristlichen Mysterien-Wesen einen Zusammenhang hatten. Auch im Geschehnis von Kana sehen wir, wie überall in den fünf ersten, den "Mysterien-Kapiteln" des Johannes-Evangeliums, den Christus durch eine bestimmte "Mysterien-Sphäre" hindurchgehen, und hier, wie auch in den andern Mysterien-Sphären ist es so, daß dem Christus und seiner Ich-Botschaft noch ein viel höherer Grad des Verständnisses entgegengebracht wird, als später zu Jerusalem, da, wo der Christus in die allgemeine, niedere Menschheits-Sphäre herabgestiegen ist, wenn es auch schon bei jenen "Mysterien-Sphären" zutrifft, daß das hier dem Christus und seiner Botschaft noch entgegengebrachte Verständnis gewissen Grenzen hat, auf gewisse Schwierigkeiten im Menschheitsbewußtsein (und "Mysterien-Bewußtsein" der Beteiligten) aufstößt. Für die Würdigung der ganzen "Mysterienvorgänge" und der "Mysterien-Sphäre", in der sie spielen, nicht ohne Bedeutung ist auch die Tatsache, daß Kana in Galiläa in der Nähe des Berges Tabor, des "Berges der Verklärung", von der wir sagten, daß sie wie eine Substanz über das Ganze des Johannes-Evangeliums ausgegossen sei (ME205), ist bei dem Geschehnis von Kana in einer ganz besonders deutlichen Weise spürbar. Hier wie dort ist es die "Wandlung", die "Transsubstantiation des Irdischen", die uns in leuchtenden Bildern entgegentritt. Und es kann dieses Leuchtende auch in der Uranus-Sonnen-Konstellation Wassermann-Löwe dieses Kapitels empfunden werden, der gegenüber die Saturn-Monden-Konstellation S196 des folgenden Kapitels Steinbock - Krebs etwas viel Trüberes, Dunkleres hat.

   Dort zu Kana in Galiläa, gleichwie in anderen Mysterien-Kreisen, suchten die Menschen die Erlebnisse eines höheren Bewußtseins, einer höheren Begeisterung, einer höheren Ekstase. Und alles dieses schien hier, wie in anderen vorchristlichen Mysterien-Sphären, doch nur erreichbar, wenn der Zusammenhang mit dem Physischen gelockert war, wenn darum auch andererseits alles Ichhaft-Persönliche, wie es den Menschen immer ins Physische herunterdrücken will, so vollkommen als möglich ausgeschaltet war. Auch der Wein, der Alkohol hat bis zu einem gewissen Grade die Wirkung, um die es sich hier handelt; nur ist die hier erstrebte und erzielte Begeisterung - alles, was sich in der griechischen Mysterien-Sphäre an den Namen Dionysos knüpft - im Grunde nicht ein "höheres", sondern eigentlich ein tieferes, ein herabgedrücktes, herabgedämpftes, traumhaft-umnebeltes Bewußtsein. Schauen wir von da auf den wirklichen Traumzustand im Schlafe hin: da ist, im Verlöschen des Wachbewußtseins das "Ich" herausgezogen, und der mit dem Ich gehende, mit ihm herausgezogene "astralische Leib" verbindet sich, wenn der Schlafzustand in ein mehr träumendes Bewußtsein übergeht, enger mit dem ätherische. Mit der fortschreitenden Lockerung des ätherischen Leibes - wie sie auch durch die Wassertaufe des Johannes bewirkt wurde - treten da immer höhere, übersinnlichere Bewußtseinszustände ein. Die "innere Sternenwelt" des astralischen Leibes (Wassermann) beginnt da aufzuleuchten.

   So erscheinen des Menschen physischer Leib und Ich (der mit dem Ich verbundene physische Leib) mehr dem Wachzustande und Wachbewußtsein, der herausgelöste oder doch gelockerte ätherische Leib in Verbindung mit dem Astralischen einem (cum grano salis) "höheren", einem traumhaft-übersinnlichen Bewußtsein und seinen überirdischen Seligkeiten, Entzückungen und Ekstasen zugeordnet. Wollen wir alles dieses aus der eben gebrauchten anthroposophisch-technischen Ausdrucksweise in eine schlicht-menschliche übersetzen, so bietet sich - darauf hat schon Rudolf Steiner in S197 den Zyklusvorträgen über das Johannes-Evangelium hingewiesen - dafür das bekannte Goethe-Wort dar:

Vom Vater hab' ich die Statur,

Des Lebens ernstes Führen,

Vom Mütterchen die Frohnatur

Und Lust zum Fabulieren.

Was in dem hier gemeinten Sinn zwischen dem Physischen (der äußern "Statur") und dem Ich (das die "Führung des Lebens" in der Hand hat) liegt, nannte man in Mysterien den Vater, das andere, das was mehr im Gebiete der Innerlichkeit, der Phantasie, des Träumerischen und der Inspiration liegt, die Verbindung des (vom Physischen gelösten oder gelockerten) "Astralischen" mit dem "Ätherischen" war das Mütterliche, das Element der Mutter. Dies empfand man als das eigentliche Element des Magischen. Alle Magie, aller Zauber hatte mit diesem mütterlich-weiblichen Elemente etwas zu tun. Und damit wiederum die Liebe, wie man sie, geknüpft an die alten Blutszusammenhänge, in jenen Mysterien erlebte (vgl. das Novalis-Wort: "Liebe ist der Grund der Möglichkeit der Magie. Die Liebe wirkt magisch" (Fragmente ed.Kamnitzer 650). Man erlebte in dieser magischen Berührung mit dem Weiblich-Mütterlichen der Welt noch etwas vom "höheren Lebenselemente", vom "Baum des Lebens" (auf den in der Ätherlehre die "höheren Ätherarten" des "Ewig-Weiblichen": Klangäther und Lebensäther einen Hinweis enthalten, siehe Teil A cap.5). Wie dem Baum des Lebens das Weiblich-Mütterliche (in Ätherleib und Astralleib), empfand man dem Baum der Erkenntnis, der zum "Todesbaum" geworden war, das Element des Vaters (in der Verbindung von physischem Leib und Ich) zugeordnet. So finden wir das "magische Element der Mutter" von den ältesten vorchristlichen Mysterien bis in die späteren Zeiten hinein, in den ägyptischen Isis-Mysterien, im indischen Yoga, in den irisch-hybernischen Mysterien, von denen ein so bedeutsamer, von Wagner nach der Seite des S198 Magisch-Musikalischen hin mächtig herausgearbeiter Nachklang in "Tristan und Isolde" lebt.*...


(* In einer auch für das Verständnis des Evangeliums aufschlußreichen (oder vom Verständnis des Evangeliums her Aufschluß empfangenden) Weise findet sich dort das magische Motiv der Mutter in Stellen wie: "Wohin,

o Mutter, vergabst du die Macht, über Meer und Sturm zu gebieten?" und "Kennst du der Mutter Künste nicht?... Für Weh und Wunden gab sie Balsam..."


...Bis in das christliche Evangelium, bis ins Johannes-Evangelium vor allem hinein finden wir dieses magische Motiv der Mutter. Rudolf Steiner hat gezeigt, wie es auch in der Geschichte der Hochzeit von Kana eine bedeutsame Rolle spielt, wie der Christus da selbst noch an die Kräfte des Mütterlichen sich wendet: "Frau, was gehet da von dir zu mir" (wie Vers 4, richtig übersetzt, lautet); meine Stunde ("die Stunde des Ich") ist noch nicht gekommen, d.h. noch ist nicht die Menschheitsstunde und Weltenstunde da, wo aus der Kraft das Ich allein sich entwickeln kann, was bis dahin aus der Magie des Weiblich-Mütterlichen empfangen wurde. Die "Kräfte der Mutter" wie sie bis dahin wirkten, sollen jetzt den Übergang finden zur Kraft des Ich, wie sie in Christus sich offenbart - das ist der bedeutsame Sinn dieser Stelle.

   Von hier aus verstehen wir auch, welcher Art die Schwierigkeiten waren, die das offenbarende Wirken des Christus bei der "Hochzeit von Kana" den Mitgliedern jenes Mysterien-Kreises bereitete. Ausschaltung des Vater-Elementes (alles dessen was zwischen dem Ich und dem physischen Leibe spielt), Verbindung allein mit dem "Mütterlichen" (mit dem, was vom Astralischen zum Ätherischen hingeht) war auch dort, wie in allen alten Mysterien, die Losung. Es lebte dieser Grundsatz - auch dies ist von Rudolf Steiner a.a.O. gezeigt - in dem bekannten Motiv der griechischen Ödipus-Sage: "den Vater erschlagen und die Mutter heiraten". Alles Wachbewußte (das aufs Physische wirkende Ich, der "Vater") mußte ausgeschlossen, gleichsam "erschlagen" werden, wenn man zu dem, was man als höheres Mysterien-Erleben, als höhere Begeisterung und Entzückung empfand, den Zugang finden wollte. Ein dionysisches Element, der Lebenswein einer höheren Beseligung, einer alle Fesseln S199 und Engigkeiten des Persönlichen sprengenden Ekstase, so empfand man, wollte sich da der Seele schenken.

   Wenn nun Christus erschien, um auch hier das Ich wiederum in seine durch den Sündenfall der Menschheit verlorene Vollmacht einzusetzen, um den Menschen zu zeigen, daß - mochte auch das niedere Persönliche immer als ein Hindernis für das höhere Leben, das Mysterien-Erleben sich erweisen - das wahre Ich in dieser Beziehung anders wirkt, daß es erst im Wachbewußtsein das "höhere Leben" ermöglicht, das sonst nur durch Bewußtseinsherabdämpfung und Umnebelung zu erreichen war, daß gerade durch die Kraft des wieder zu seiner Vollmacht erwachten Ich der wahre Lebenswein der Menschheit sich schenkt, daß da durch die Kraft des Vaters das Wasser des Ätherisch-Mütterlichen in den höheren Wein des Lebens sich verwandelt (Wassermann - Löwe), was mußten die in den alten Mysterien-Anschauungen befangenen Menschen da befürchten? Nichts anderes, als daß durch ein solches Hereinnehmen des Ich in die Sphäre des höheren Erlebens, von der es bis dahin streng ausgeschlossen war, der Tempel des physischen Leibes zerstört würde, daß der irdische Leibestempel der Wucht jener höheren Erlebnisse dann nicht würde standhalten können. Und der Christus erwidert: "Ja, mag er zerbrechen, der physische Leibes-Tempel" (daß der hier gemeint ist, sagt das Johannes-Evangelium in V.21 selber ganz ausdrücklich), "oder mögt ihr selber ihn zerbrechen: in drei Tagen will ich ihn (wird das Ich ihn) wiederum auferbauen" (V19). In dem niederen, durch den Widersacher im Sündenfall in die Sphäre des Astralischen heruntergezogenen Ich wirken die abbauenden Kräfte, welche die Anhänger jener Mysterienvorstellungen mit Recht fürchten, denn sie müßten, in das Mysterienerleben hereingetragen, in der Tat zerstörend wirken. Aber wie im Ichhaft-Astralischen die abbauenden, sind in dem der Menschheit im Sündenfall verlorenen, durch Christus wieder in seine Vollmacht eingesetzten höheren, im wahren Ich die aufbauenden, die Auferstehungs-Kräfte, die dasjenige, was vom Astralischen her abgebaut, ja zerstört worden ist, wieder aufrichten. Auch diese Ich-Kräfte haben eine Hinordnung zum Physischen, aber S200 zu demjenigen Physischen, das der Menschheit mit dem wahren Ich im Sündenfall ebenfalls verloren ging, zu dem übersinnlichen, die reinen "Kristallkräfte des Kosmischen" in sich tragenden höheren physischen Leibe, dem Auferstehungsleibe, über dessen Wesen von Rudolf Steiner in den Karlsruher Zyklus-Vorträgen "Von Jesus zu Christus" ausführlich gesprochen worden ist (GA131). Auch auf die Beziehung der Kräfte dieses vom Ich aus wieder aufgebauten höheren Physischen zu dem, was man in der Alchimie den durchsichtigen, kristallhellen "Stein der Weisen" nannte, ist von Rudolf Steiner hingewiesen (a.a.O. VIS14). Er selbst gebraucht für die Wesenheit dieses Leibes den Ausdruck "Phantom". Wie das Verwesende im Leibe vom Sündenfall her vererbt ist, vererbt sich dieses Neue, Höhere, Unverwesliche der "Phantom-Kräfte" von dem her, was sich in der Auferstehung aus dem Grabe von Golgatha erhoben hat. Der Tempelbau des Neuen Jerusalem nimmt schon von daher, zunächst unsichtbar, seinen Anfang, jener Tempel, in dem der mit den Auferstehungskräften des Christus verbundene Mensch ein lebendiger Pfeiler zu werden berufen ist (Apokalypse 3,12). Damit ist der vom Ich aus mit diesen Kräften des höheren physischen, des Auferstehungsleibes sich durchdringende Mensch zum "Geistesmensch" geworden, hat den "Geistmenschen" (Atma) in sich entwickelt. Das sind, wiederum auf den Tierkreis bezogen, die Kräfte des Löwen (ME31unten), jene Kräfte des Löwen, die das Irdisch-Physische bis ins Blut hinein verwandeln und vergeistigen, durchfeuern und durchsonnen, die die "Wassertaufe des Ätherischen" in die Feuer- und Blutstaufe des Ich hinüberführen.

   So erscheint mit dem Motiv "aus dem Ich der neue, der höhere Lebenswein, das neue, das höhere Lebensblut" in der "Hochzeit zu Kana" zugleich das Auferstehungs-Motiv der Tempel-Erneuerung: "aus den Kräften des Ich der neue, der höhere Leibestempel, der Auferstehungsleib", das uns später im Ausgang des Johannes-Evangeliums wieder begegnet. Anfang und Ende des Evangeliums schließen sich gerade im Wandlungs-Motiv der Hochzeit von Kana bedeutungsvoll zusammen. Wir können verstehen, warum dieses erste der "sieben Zeichen" S201 als der Grundstein, das Fundament, das Grundprinzip aller von Christus gewirkten "Zeichen" im Johannes-Evangelium hingestellt wird (Joh.2,11), als dasjenige, das seine "Herrlichkeit vor allem offenbarte".

   Und wir verstehen aus alledem weiterhin, warum der Vorgang der "Tempelreinigung" - von dem wir aus dem Markus-Evangelium wissen, daß er mit eine wesentliche Ursache des Erdentodes Christi war (ME250ff) - in dem, sonst, historisch oft so treuen Johannes-Evangelium in einem zeitlichen Zusammenhang erzählt wird, der nicht dem der übrigen Evangelien entspricht, und auch dem rein Äußerlich-Historischen nicht gut entsprochen haben kann. Mehr wie eine geistige Schauung nimmt sich der Bericht des Johannes-Evangeliums aus, die sich vor diejenigen hinstellte, die angesichts der Geschehnisse von Kana um die Schicksale des Leibestempels zittern mußten. Nicht umsonst wird im Johannes-Evangelium selbst alles ausdrücklich auf die Schicksale des physischen Leibes bezogen (V21). Auch der Gedanke der Reinigung (Läuterung) des Physischen, die der Offenbarung des Ich vorausgehen muß, klingt in der Erzählung des Johannes-Evangeliums mit an.

   Ein allerbedeutsamstes, in der Konstellation des zweiten Johannes-Kapitels sich aussprechendes Motiv ist dieses, daß die bis dahin in der Region des Wassermann, im Ätherisch-Astralisch-Mütterlichen erlebten Sternenkräfte (Kräfte des Sternhimmels, Uranos, siehe darüber Teil A cap.2+3) nunmehr durch die Feuerkraft des Löwen ins Ich heruntergeholt, im Ich erlebt werden. Uranus-Kraft, Sternenleben, ist auf höherer Stufe Sonnenkraft und Sonnenleben im Herzen geworden (vgl. dazu die A2+3 aus dem Berliner Zyklus 1913 angeführten Stellen).

"Die Sternenwelt wird zerfließen zum goldenen Lebenswein;

Wir werden sie genießen und lichte Sterne sein".

***

   Wir können diese Betrachtung der "Hochzeit von Kana" nicht beschließen, ohne, uns erinnernd dessen, was im Eingang als ein Ausblick auf die "sechste Kulturperiode", das Uranus-S202-Wassermann-Zeitalter gegeben wurde, einen Blick auf den europäischen Osten zu werfen, wo, wie viele glauben, jene Menschheits-Zukunfts-Erlebnisse zuerst in prophetischer Weise sich ankündigen, wo die "Seele des Ostens" zuerst etwas von diesen Menschheits-Zukunfts-Geheimnissen zu ahnen scheint. In Dostojewskis Roman "Die Brüder Karamasow" trägt das Schlußkapitel des siebenten Buches die Überschrift "Kana in Galiläa". Es ist da die Rede vom Hingang eines hochbetagten, von vielen geliebten und verehrten Priestermönches, des Staretz (Ältesten) Sossima. Besonders tief betrauert den Dahingeschiedenen ein jünger Mönch, Aloscha. Er findet sich als einer der letzten Besucher an der Totenbahre ein. Viele Einzelheiten, bis auf den dem Sarge entströmenden Verwesungsgeruch - manches erinnert da an Geheimnisse des Lazarus-Kapitels im Johannes-Evangelium - werden beschrieben. Ein Geistlicher liest am Sarg Worte des Johannes-Evangeliums. Aloscha, in leiser Ermattung ihm lauschend, fällt wie in eine Art von Schlummer. Noch immer dringen die Worte des Johannes-Evangeliums an sein Ohr: "Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa; und die Mutter Jesu war da. Jesus und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen." Lebenserinnerungen verschiedener Art durchkreuzten Aloschas träumendes Bewußtsein. "Und da es an Wein gebrach, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben nicht Wein". Wie er diese Stelle immer besonders liebte, wird sich der jugendliche Träumer da bewußt: "Nicht in ihrem Kummer, nein, in ihrer Freude hat Christus die Menschen aufgesucht...  Wer die Menschen liebt, der liebt auch ihre Freude..." Und weiter klingen die Worte: "Jesus spricht zu ihr: "Frau, was ist da zwischen dir und mir? Meine Stunde ist noch nicht gekommen". Seine Mutter spricht zu den Dienern: "Was er euch saget, das tut"... Jesus spricht zu ihnen: "Füllet die Wasserkrüge mit Wasser". Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: "Schöpfet nun, und bringet es dem Speisemeister". Und sie brachten es. Als aber der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war, und wußte nicht, von wannen er kam (die Diener aber wußten es, die das Wasser geschöpft hatten), S203 ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: "Jedermann gibt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken geworden sind, alsdann den geringeren; du hast den guten Wein bisher behalten." Immer lebendiger, wie in einem hellsichtigen Traum, stellt sich das Hochzeitsbild vor die Seele des jungen Menschen. Es ist ihm zu Mute, als sei kein Sarg mehr da, als sei der aufgebahrte Tote wieder lebendig geworden und käme mit leuchtenden Augen auf ihn zu. "Ist auch er zur Hochzeit geladen..."? Und der Tote, der Auferstandene, spricht dem Träumer vom neuen Lebenswein, vom Wein der neuen, der großen Freude; und von den vielen Gästen, die des neuen Weines harren, vom Speisemeister, vom Bräutigam und von der Braut. In Ewigkeit hinein werden immer neue Gäste geladen. Alle Empfindungen kommen im Träumenden zur höchsten Spannung, da erwacht er, und sieht wieder den Sarg vor sich, hört wieder das abgemessene Evangelienlesen des Geistlichen. Aber jetzt hört er nicht mehr auf die Worte. Noch einmal blickt er in stiller Ergriffenheit auf den aufgebahrten Toten, dann läßt es ihn nicht mehr in dem engen Raum, es drängt ihn hinaus ins Freie. "Seine von Jubel erfüllte Seele verlangte nach Freiheit, Raum, Ausdehnung. Weit, unabsehbar wölbte sich über ihm die Himmelskuppel, übersät mit blinkenden Sternen. Vom Zenith bis zum Horizont schimmerte noch in schwachem Schein die Milchstraße. Eine kühle und bis zur Unbeweglichkeit stille Nacht lagerte über der Erde. Die prachtvollsten Herbstblumen in den Beeten um das Haus schimmerten noch. Es war, als wenn die irdische Stille zusammenflösse mit der himmlischen, als wenn die Geheimnisse der Erde und die der Gestirne sich berührten..." Von einer tiefen Bewegung überwältigt, wirft sich Aloscha plötzlich zur Erde und benetzt die Erde mit Tränen. "Worüber weinte er? O, er weinte in seinem Jubel selbst über die Sterne, die aus dem unendlichen Raum ihm entgegenstrahlten, und er schämte sich dieser Verzückung nicht. Es war, als wenn von allen diesen unzähligen Gotteswelten Fäden in seinem Herzen zusammenträfen, und sein ganzes Herz erbebte in der Berührung mit anderen Welten. Ihn verlangte, allen alles zu vergeben und S204 Verzeihung zu erbitten, o nicht für sich, sondern für alle, für alles und jedes... Und mit jedem Augenblick fühlte er es deutlich und gleichsam greifbar, daß etwas Festes und Unerschütterliches, wie dieses Himmelsgewölbe, in seine Seele einzog... Als schwacher Jüngling war er zu Boden gesunken, als ein fürs ganze Leben gefestigter Kämpfer erhob er sich; das fühlte er selber und ward sich dessen in diesem Augenblick seiner Verzückung bewußt. Und niemals im Leben konnte Aloscha diesen Augenblick vergessen."

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   Von den angeführten Worten des russischen Dichters ergießt sich neues Licht auf Rudolf Steiners Offenbarung, wie für das hellsichtige Auge die das Blut aus den Wunden des Gekreuzigten in sich aufnehmende Erde wieder als Stern unter Sternen zu leuchten beginnt. Das Blut aus der Seitenwunde des Gekreuzigten verbindet sich wieder mit dem Wunder von Kana, dem aus Wasser gewandelten Wein. Den Wein des höheren Lebens erneuert Christus aus dem Quell der lebendigen Wasser, der Sternen-Quell ewigen Lebens erneuert sich im Ich, das der Weinstock des nie verlöschenden Bewußtseins ist (Joh.15,1). Uranos, der Sternhimmel, wird zur höheren Sonne im Herzen.

"Die Sternwelt wird zerfließen zum goldnen Lebenswein

wir werden sie genießen und lichte Sterne sein."

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