Anthroposophie        =           Dreigliederung

Impuls - Reaktion - Inkarnation   1919 - 1969 - 2019    Geschichte - Quellen - Material

I. Abschnitt, Kapitel 7

 

Sonnenzeichen

Sonnenzeichen

 "ME" im Text weist auf das Buch von Hermann Beckh: "Der kosmische Rhythmus im Markus-Evangelium"


Das Sternengeheimnis des ewigen Namens

- Buch des Lebens und Buch des Schicksals -

 

Doch darin freuet euch nicht, daß euch die Geister untertan sind.
Freuet euch aber, daß eure Namen in den Himmeln geschrieben sind.
Luk 10.20

 

S115   Als eines der großen Menschheits-Urmotive der Bibel zieht sich durch das ganze Alte und Neue Testament, die beiden miteinander verbindend, das Geheimnis des ewigen Namens, vom Anfang der Genesis (1Mos1), wo das ewige Schöpferwort, das alle Dinge ins Dasein rief und benannte, um zuletzt mit der Kraft schöpferischer Namengebung in dem noch paradiesischen Menschen zu wohnen (Gen2,19.20), bis zur Apokalypse, die uns mahnend kündet von dem himmlischen Buche des Lebens und den Namen derer, die in dem ewigen Lebensbuche des Lammes geschrieben sind. Zwischen beiden Namen-Offenbarungen, die wie Marksteine im Ewigen gegründet dastehen, liegt, im ganzen Inhalte der Bibel sich widerpiegelnd, ein langer Menschheits-Weg: da hören wir von Sündenfall und der Sprachverwirrung beim großen Turmbau (Gen11), wo der ewige Name selbst und die Macht, aus dem Ewigen heraus allen Dingen die Namen zu geben, dem Menschen verloren ging; dann von der Neuoffenbarung des göttlichen Namens, wie sie Mose, als dem berufenen Führer seines Volkes, von dem Göttlichen, von Jahwe selbst aus dem brennenden Dornbusch zuteil ward: Ejeh asher ejeh "Ich bin der Ich bin ... Das ist mein Name in Ewigkeit". S116 Zum erstenmal in der Bewußtseinsgeschichte der Menschheit verbindet sich hier heilig-bedeutsam das Geheimnis des ewigen Namens mit dem Geheimnis des Ich. Im Einen liegt die Offenbarung des Andern. Dann durchweht dieses Geheimnis des ewigen Namen machtvoll die Psalmen, bis es seine zukunfttragendste Offenbarung findet in dem Worte des Propheten Jesaias (43,1, vgl. auch 40,26): "So spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gezeuget hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöset; ich habe dich bei deinem Namen gerufen: du bist mein".

   Das im Fall der Menschheit Verlorene und Vergessene offenbart sich in Christus, in der Einweihung und im Evangelium des Johannes neu: das ist der Übergang vom Alten zum Neuen Testament. So lebt das ewige Schöpferwort wieder im Eingang des Johannes-Evangeliums: "Im Urbeginne war das Wort", mit ihm das "Geheimnis des ewigen Namens" als die "Macht der Kinder Gottes", derer, die "an seinen Namen glauben" (wie Luther V12 übersetzt), d.h. die in den ewigen Namen, in das ewige Ich ihres Herzens Sicherheit versenken. Wie in jenen gewaltigen Eingangsworten das ewige, namengebende Schöpferwort Gen.1 seine neutestamentliche Auferstehung in Christus findet, so das Jesaiaswort 43,1 im zehnten Johannes-Kapitel, in dem Christus-Wort vom guten Hirten, der seine Schafe (d.h. die zum Ich Berufenen) mit Namen ruft: "und die Schafe hören seine Stimme; und er ruft seine Schafe mit Namen und führt sie aus." Ebenso sind alle Ich-Bin-Worte des Christus, ist die Erscheinung Christi auf Erden selbst eine Erfüllung der dem Moses aus dem brennenden Dornbusch gewordenen Offenbarung "Ich bin der Ich bin".

  Als ein - zuerst (Mk11,22-26) angedeutetes (dazu ME275) - Geheimnis der Meditation zugleich und der "Macht des Gebets" klingt das Geheimnis des Namens in ganz besonders bedeutsamer Weise durch die "Abschiedsreden Jesu" (Joh14-16) hindurch (14,13; 14,26; 15,7; 15,16; 16,23bis 28): "So ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen (im Namen des Ich), so wird er's euch geben. Bisher S117 habt ihr nichts gebeten in meinem Namen... Es kommt aber die Zeit... da werdet ihr bitten in meinem Namen". Seinen leuchtenden Höhepunkt findet das Namen-Mysterium des Johannes-Evangeliums dann im 17. Kapitel, in der großen Fürbitte des "hohepriesterlichen Gebets": "Ich habe Deinen Namen offenbaret den Menschen, die Du mir von der Welt gegeben hast.. Heiliger Vater, bewahre sie in Deinem Namen, die Du mir gegeben hast, auf daß sie Eins seien, gleich wie wir. Da ich bei ihnen war in der Welt, erhielt ich sie in Deinem Namen... Und ich habe ihnen Deinen Namen geoffenbart und will ihn offenbaren, auf daß die Liebe, mit der Du mich liebtest, sei in ihnen und ich in ihnen." Zu diesen Christus-Worten fügen wir noch das Johannes-Wort am Schlusse des 20. Kapitels: "...auf daß ihr im Glauben das Leben habet in seinem Namen".

   Als ein ganz unmittelbar und offensichtlich johanneisches Element lebt dieses Namen-Motiv, dort erst seinen eigentlichen krönenden Abschluß findend, zuletzt noch in der Apokalypse des Johannes, wo sich in ihm dann zugleich bedeutungsvoll Anfang und Ende der Bibel zusammenschließen, das Geheimnis des namengebenden ewigen Schöpferwortes im Urbeginn mit dem Geheimnis des Buches des Lebens, in dem die ewigen Namen geschrieben sind. Was immer philologisch-theologische Forschung über "Verfasserschaft" des Johannes-Evangeliums und der Johannes-Apokalypse ermitteln zu können oder annehmen zu müssen glaubt: der innere geistig-spirituelle Zusammenhang zwischen Johannes-Evangelium und Apokalypse, das unmittelbar Johanneische in diesen beiden Menschheits-Büchern, wird durch dieses große, sie beide durchziehende Motiv des ewigen Namens in erster Linie offenbar. Die Verbindung des Geheimnisses des ewigen Namens mit demjenigen des Ich ist in der Apokalypse eine vollkommen deutliche und offenbarende. Die hauptsächlichen Stellen sind:

   Apok.2,17: "Dem siegreichen Überwinder will ich geben von dem verborgenen Manna, und ich will ihm geben den weißen Stein, und auf den Stein den neuen Namen, den S118 niemand kennt, denn der ihn empfängt." (Das ist immer der Name "Ich".)

   3,5: "Wer überwindet, soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln."

   3,12: "Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler im Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen. Und ich will auf ihn schreiben den Namen des göttlichen Ich und den Namen des Neuen Jerusalem, der Stadt des göttlichen Ich, die vom Himmel herniederkommt vom göttlichen Ich, und meinen neuen Namen, den Namen des Ich."

   5,1f: "Und ich sah in der rechten Hand des, der auf dem Stuhl saß, ein Buch, geschrieben inwendig und auswendig, versiegelt mit sieben Siegeln... Und ich weinte sehr, daß niemand würdig erfunden ward, das Buch aufzutun und zu lesen noch darein zu sehen. Und einer der Ältesten spricht zu mir: Weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe, der da ist vom Geschlecht Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch und zu brechen seine sieben Siegel."

   13,8: "...deren Namen nicht geschrieben sind (Vgl. dazu auch 2.Mos32,31-33-in der "Geschichte vom güldenen Kalbe": "Mose sprach zum Herrn: Ach, das Volk hat eine große Sünde getan, wie haben sich güldene Götter gemacht. Nun vergib ihnen ihre Sünde; wo nicht, so tilge mich auch aus deinem Buch, das du geschrieben hat. Der Herr sprach zu Mose: Ich will den aus meinem Buch tilgen, der an mir sündiget." Vgl. dazu Psalm 69,29: "Tilge sie aus dem Buch des Lebens, daß sie mit den Gerechten nicht angeschrieben werden". Das "Buch des Lebens" ist, wie der in ihm geschriebene "ewige Name", nicht nur ein apokalyptisches oder neutestamentliches, sondern ein universal-biblisches Motiv.) in dem Lebensbuch des Lammes, das erwürget ist von Anfang der Welt."

   14,6: "...Und ich sah einen andern Engel (oder: "den Engel des Antlitzes") fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewig Evangelium zu verkündigen denen, die auf Erden wohnen."

   17,8: "...und werden sich verwundern, die auf Erden wohnen, deren Namen nicht geschrieben stehen (siehe vorige Anmerkung) in dem Buch S119 des Lebens von Anfang der Welt, wenn sie sehen das Tier (des Abgrunds)..."

  19.12: (Der "Weiße Reiter"): "...und hatte einen Namen geschrieben, den niemand wußte, denn er selbst... und sein Name heißt: das Wort Gottes."

   20,12: "Und ich sah die Toten... stehen vor dem Thron, und Bücher wurden aufgetan. Und ein ander Buch wurde aufgetan, welches ist des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach der Schrift in den Büchern nach ihren Werken."

   21,27: (vom "Neuen Jerusalem"): "Und wird nicht hineingehen irgendein Gemeines, und das da Greuel tut und Unwahrhaftigkeit (vgl.Joh3,21), sondern die geschrieben sind in dem Lebensbuch des Lammes."

   Ihre intime Ergänzung und Erklärung finden alle diese Stellen durch die bedeutsame Stelle Lukas 10,20, die uns zuerst leise und wie von ferne ahnen läßt, daß das an all den anderen Stellen berührte "Geheimnis des ewigen Namens" letzten Endes ein Sternen-Geheimnis ist: "Doch darin freut euch nicht, daß euch die Geister untertan sind; freuet euch aber, daß eure Namen in den Himmeln geschrieben sind".

   Das Wort, von Christus zu den Jüngern gesprochen, die er mit geistiger Vollmacht begaben will, berührt sich eng mit einem auch im Johannes-Evangelium an vielen Stellen erscheinenden wichtigen Motiv: dem Joh.1,12 gemeinten wahrhaften, die "Gotteskindschaft" verbürgenden "Glauben an den Namen" (= des Herzens Sicherheit in den ewigen Namen, in das Ich versenken) wird da entgegengestellt ein anderes, unrichtiges "an den Namen Glauben", das Christus immer zurückweist, als ungenügend oder ungut ansieht. So schon gleich am Anfang, Joh.2,23f., wo Christus, der den Menschens ins Herz sieht, das dort durch die bloße Zeichenwirkung ausgelöste "Glauben" oder "Vertrauen" des Menschen nicht mit seinem Vertrauen, die dort gemeint Hingabe der Menschenherzen nicht mit seiner Hingabe an die Menschenherzen erwidern kann. Nur die wirklich von Ich zu Ich gehende Glaubenswirkung und Herzenssicherheit im Ich kann vor Christus bestehen. In dem Worte S120 "Ich" selbst liegt ja dieses, daß es sich nie um ein Überwältigen des Innern, sondern nur um ein Selbst-Empfangen in voller Freiheit des Innern bei aller Christuswirkung handeln kann (Vgl. dazu einige der bedeutsamen Novalis-Worte über das Ich. "Ich ist Wahl und Realisierung der Sphäre individueller Freiheit und Selbsttätigkeit." "Im Ich, im Freiheitspunkte, sind wir alle in der Tat völlig identisch... Ich ist der absolute Gesamtplatz, der Zentralpunkt". "In jedem Augenblick, da wir frei handeln, ist ein solcher Triumph des unendlichen Ich über das Endliche..."). Wo Christus merkt, daß die Seelen wohl für allerlei magische Einwirkung empfänglich sind, aber das Ich dem Ich (das niedere Ich dem höheren Ich) noch sich verschließt, kann er noch nicht im Herzen des "Glaubenden" wohnen. Darum auch seine Mahnung an die Jünger, an die Stellvertreter seines Werkes auf Erden: "Doch darin freuet euch nicht, daß euch die Geister untertan sind; freuet euch aber, daß eure Namen in den Himmeln geschrieben sind." (Aus dem Johannes-Evangelium selbst kann man für das "unrichtige Glauben", die unrichtige Namenwirkung hinweisen auf die Stellen 1,50;2,11;2,23f;3,2f;4,48;6,30;7,3-5;11,47.48;12;17-19; für das "richtige" Glauben, die richtige, von Ich zu Ich gehende Hingabe und Herzenssicherheit: 1,12; 4,42; 10,4; 10,16; 14,12; 16,31; 17,8; 20,29; 20,31.)

   Um das "Geheimnis des Namens" und seine magische, zauberkräftige Wirkung wußten alte (und wissen heute noch sog. "wilde") Völker (Viel Interessantes darüber findet man in dem, wenn auch in einem ganz materialistischen Geiste geschriebenen großen Werke von J.G.Frazer, The Golden Bough, A Study in Magic und Religion, London 1911. Ähnlich Edward B.Tylor, Primitive Culture, London 1903). Um eine letzte Dekadenz der im Anfang der Genesis angedeuteten menschlichen Urkräfte handelt es sich da noch in vielen Fällten. Auf einem höheren Niveau befinden wir uns noch im alten Indien, wo der Veda noch voll ist von der Offenbarung der magischen Kraft des Wortes und Lautes, des "Mantram", und der auf ihr beruhenden Namen-Wirkung. Man wußte da noch etwas von dem ursprünglichen Zusammenhang des Wortes und Lautes mit den schöpferischen Urkräften, des "Namens" mit dem durch den Namen bezeichneten Ding oder S121 Wesen. In der alten Menschheit lebte noch eine Erinnerung an das - auch in der Bibel, in der Genesis vor allem, so bedeutsam anklingende - Geheimnis der Ursprache (womit nicht irgendein Ur-Sanskrit, oder eine sonstige Vorgängerin der "alten Sprachen" gemeint ist, sondern die noch für das Göttlich-Schöpferische in Laut und Wort empfängliche Begabung und Wesens-Äußerung des geistigen Urmenschen, die dann in der Auswirkung des Sündenfalles, in der "Sprachverwirrung" verloren ging). Aber was in Urzeiten des Menschengeschlechts magischer Spürsinn und magische Empfänglichkeit war, was dann immer mehr verloren wurde oder in Dekadenz geriet, es sollte in Christus freie Ich-Wirkung Ich-Empfänglichkeit werden. Den im Falle der Menschheit verlorenen oder vergessenen eigenen ewigen Namen will Christus dem Menschen wieder ins Gedächtnis rufen, und nur das Innerste des Innen, das Ich, vermag dieses Wort, diesen Namen zu hören. (Vgl. Joh8,43: "Warum vernehmet ihr denn meine Sprache nicht? Denn ihr könnt ja mein Wort nicht hören", ähnlich 8,37, in Luthers Übersetzung "meine Rede fähret nicht unter euch" d.h. "hat keine freie Stätte in euch". Ähnlich 5,43). Nur die Ich-Wirkung, nicht die magische Wirkung des Namens kann da noch gelten. Die Menschenseelen magisch zu überwältigen, wäre dem Christus leicht gefallen. Dann wäre das Mysterium von Golgatha ungewirkt geblieben. Dann aber hätte die Menschheit die Vollendung des Ich, die Hingabe an das Göttliche aus der Freiheit des Ich, niemals erreicht. Das konnte Christus, der Repräsentant des wahren Ich, nicht wollen. So wurde das Todesopfer von Golgatha zur Notwendigkeit. Von der Seite der Menschheit gesehen erscheint dieses Todesopfer als die Reaktion der Ich-entfremdeten Menschheit auf die Begegnung mit ihrem wahren Ich, von der Seite des Christus gesehen als die Heilung des gefallenen Ich durch da göttliche Ich. ("Die Wunde heilt der Speer nur, der sie schlug".)

   Zu den schwerverständlichsten, aber auch schwerwiegendsten und bedeutsamsten Worten und leitenden Motiven des Johannes-Evangeliums gehört jenes oben erwähnte "an seinen Namen glauben". Erst wenn wir das S122 Ich-Geheimnis des "Namens" mit dem Ich-Geheimnis des "Glaubens" verbinden können, kommen wir dem johanneischen Sinn jenes Wortes näher. Was Luther hier immer mit "glauben" übersetzt, das griechische pisteuein, ist im Grunde ein unübersetzbares Wort. Es bezeichnet in seinem johanneischen Sinn niemals ein nur verstandesmäßiges Annehmen eines Unbewiesenen, sondern eine viel tiefere Herzenskraft und Herzenssicherheit. Schon die Laute des griechischen pisteuein und pistis "Glaube" weisen hin auf das deutsche "fest". Das Bild der "festen Burg", oder das andere, von Rudolf Steiner einmal bei einem menschheitsbedeutenden Anlaß hingestellte des "Grundsteins im Herzen!" steigt vor uns auf. "Glaube" im johanneischen Sinn ist nicht weniger, sondern mehr als verstandesmäßiges Erkennen, ist erst da erreicht, wo die Erkenntnis im Herzen aufgegangen, im Herzen verankert ist, wo erkannt wird, wie das wirkliche Wissen letzten Endes im Herzen beschlossen ist. In seinen eigentlichen Grundtiefen ist das Herz das an sich wissende, ja das allein wirklich Wissende, aber dieses Wissen ist durch dasjenige, was der Inder die Maya (die Illusion des Sinneswissens) nannte, ganz zugedeckt, ja oftmals wie verschüttet. "Glaube ist Empfindung des Wissens" (Fragmente) sagt Novalis einmal; ein andermal: "Glaube ist Empfindung des Erwachens und Wirkens und Sinnens in einer andern Welt" (Fragmente).

***

   Soviel zunächst über das "Geheimnis des Glaubens". Um dem andern Geheimnis, dem Geheimnis des Namens näherzukommen, wie es sich im Ganzen der Bibel vom Anfang der Genesis bis zur Apokalypse vor uns aufbaut, suchten wir für das Verständnis dieser das Namen-Geheimnis in sich schließenden Bibelworte, vor allem der johanneischen Worte in Evangelium und Apokalypse (die hier wie anderwärts S123 die notwendige Ergänzung des Evangeliums ist) den Schlüssel in dem Worte des Lukas-Evangeliums 10,20:

 

"Doch darin freuet euch nicht, daß euch die Geister untertan sind:

Freuet euch aber, daß eure Namen in den Himmeln geschrieben sind".

 

   Das Sternengeheimnis des ewigen Namens leuchtet da wie aus der Ferne vor uns auf. Mit ihm und in ihm der Sternensinn des Wortes "Ich und der Vater sind eins" (Joh10,30). Erst wenn das Sternenkleid der Liebe (an dem wir ja durch die ganze Kette unserer wiederholten Erdenleben fortgesetzt weben) wirklich gewoben ist, wenn, wie in Christus, das Innerste des Innern mit dem Sternen-Umkreis aller Welten (mit der Lichtwelt des Vaters) in Liebe sich zusammenschließt, wenn es selber in einen neuen Welten-Sternen-Kreis ausblüht, hat das Ich seine in Christus ihm vorbestimmte Vollmacht erlangt. Der einfache Ausdruck dieses Verhältnisses des Ich zum Welten-Sternen-Kreis, wie es zunächst nur in Christus, dem Erden-Vorbilde, da war, ist die Figur,

Punkt-Umkreis

 

die, wie wir ja wissen, zugleich das übliche Sonnen-Zeichen, und damit zugleich der Ausdruck der Christus-Welten-Sonne ist. Sie enthält zugleich das Sternengeheimnis des ewigen Namens. Dieses in Christus verwirklichte Verhältnis des Ich-Mittelpunktes zur Peripherie des Welten-Sternen-Kreises, der Lichtwelt des Vaters ("Ich und der Vater sind eins"), worin, wie wir immer deutlicher sehen werden, zugleich das "Geheimnis des ewigen Namens" enthalten ist, empfängt eine noch konkretere Beleuchtung durch die an die Tatsache der Geburtskonstellation des Menschen, des Geburtshoroskops anknüpfenden Ausführungen Rudolf Steiners in der Schrift "Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit" (S56f). Es heißt da: "Bei einem andern Menschen wirken die kosmisch-geistigen Gesetze nur so, daß sie ihn in das Erdenleben hereinstellen. Dann treten entgegen diesen Gesetzen diejenigen, welche aus den Bedingungen S124 der Erdenentwickelung stammen. Bei dem Christus Jesus blieben nach der Jordan-Taufe die kosmisch-geistigen Kräfte allein wirksam, ohne alle Beeinflussung durch die Gesetze der Erdenentwickelung... Immer stand der Christus unter dem Einfluß des ganzen Kosmos... Was hier bei dem Jesus von Nazareth sich abspielte, war ein fortwährendes Verwirklichen des Horoskops; denn in jedem Moment geschah das, was sonst nur bei der Geburt des Menschen geschieht. Das konnte nur dadurch so sein, daß der ganze Leib des nathanischen Jesus beeinflußbar geblieben war gegenüber der Gesamtheit der unsere Erde lenkenden Kräfte der kosmisch-geistigen Hierarchien... (S58). So angesehen erscheint der Wandel des Christus Jesus als der irdische Ausdruck eines bestimmten Verhältnisses des Kosmos zu den Kräften eines Menschen."

   Dem Gesagten fügt Rudolf Steiner (S59) dann noch ein sehr bedeutsames Bild hinzu: "Man denke sich jeden Menschen unter dem Bilde einer spiegelnden Kugel. Wenn man sich einen Kugelspiegel aufgestellt denkt, so gibt er Bilder seiner ganzen Umgebung. Man nehme an, wir führten mit dem Stifte die Umrisse nach, welche die ganze Umgebung abbilden. Man könnte dann den Spiegel nehmen und das Abbild überall hintragen. Dies sei ein Sinnbild für die Tatsache, daß, wenn ein Mensch geboren wird, er ein Abbild des Kosmos in sich trägt, und dann die Wirkung des Einen Bildes durch das ganze Leben mit sich führt". (Auf dieser Tatsache beruht, wie Rudolf Steiner vorher gezeigt hat, das Wesen des "Geburtshoroskops"). "Man könnte nun aber auch den Spiegel so lassen, daß er überall, wohin man ihn trägt, die Umgebung abbildet. Dann gibt er stets ein Bild der gesamten Umgebung. Das wäre ein Sinnbild des Christus von der Jordantaufe bis zum Mysterium von Golgatha: Was bei einem andern Menschen mit der Geburt in das irdische Dasein einfließt, das floß in den Christus Jesus in jedem Augenblick ein. Und als das Mysterium von Golgatha sich vollzog, ging das, was aus dem Kosmos eingestrahlt war, in die geistige Substanz der Erde über und ist seit jener Zeit mit dem Geiste der Erde verbunden."

S125   Das ist nichts anderes, als der konkrete kosmische Sinn, der Sternen-Sinn des Christus-Wortes "Ich und der Vater sind Eins" (Joh10,30), der sich auch in der einfachen Figur

Punkt-Umkreis

ausspricht. Die Peripherie entspricht der "Lichtwelt des Vaters", dem Welten-Sternen-Kreis, der Punkt in der Mitte als der Ich-Punkt deutet auf das Sohnes-Erlebnis. Denken wir uns diesen Punkt individuell verschoben (mathematisch sind unendlich viele solche Verschiebungen möglich), so haben wir in dieser Verschiebung den Ausdruck für das individuelle Geburtenschicksal, das im "Geburtshoroskop" sich aussprechende "Karma" in seinem Gegensatze zu dem über alles Erdenkarma erhabenen, dem "Geburtshoroskop" enthobenen, "in jedem Augenblick ein neues Horoskop verwirklichenden" zentralkosmischen Verhältnis des Christus Jesus zum Vater, zum Wesenhaften des Welten-Sternen-Kreises. In das individuell verschobene Bild wirken die einzelnen durch die Verschiebung entstehenden "besonderen Konstellationen" als Schicksal, als Schicksalsnot, der Punkt in der Mitte ist der Ausdruck für die Freiheit des Ich inmitten der Unendlichkeit der Welt. Erst wenn auch im Menschen wieder durch Christus dieses Ich in einen neuen Welten-Sternen-Kreis ausblüht, ist im "Übergange vom Vater zum Sohn" die menschliche Ich-Werdung am Ziele. Alle "Nachfolge Christi" besteht in der vom Ich aus erstrebten Annäherung an diese Harmonie. Wie das Geheimnis des Ich mit dem Zentrum, hat das ihm innig verbundene Geheimnis des Namens mit der Peripherie, mit dem Welten-Sternen-Kreis, bzw. mit dem harmonischen Zusammenschluß von Zentrum und Peripherie etwas zu tun. Darin besteht das Verlieren oder doch Vergessen des ewigen Namens im Sündenfall der Menschheit, daß das Menschenwesen aus jener universalen Harmonie mit dem ganzen Kosmos, mit dem Sternen-Umkreis der Welten ("der Himmel" Luk10,20) herausgefallen ist, daß der Name "ausgetilgt ist (oder ausgetilgt scheint) aus dem Buche des Lebens". Gerade im Vergessen, d.h. im Verlieren des Bewußtseins besteht S126 dasjenige, was dann wie ein "Verlieren des ewigen Namens" selbst sich ausnimmt.

   Als Ebenbild der Gottheit ist der Mensch vom ewigen Vater im Reiche des Ewigen ursprünglich erschaffen. In jeder (darum meistens als etwas so Ernsthaftes genommenen) irdischen Namengebung fühlt der Mensch noch heute irgendwie dunkel etwas von jenem im Namen sich aussprechenden Geheimnis des im Bewußtsein verlorenen, vergessenen Zusammenhanges des Menschenwesens mit dem Ewig-Göttlichen, ahnt er noch etwas von der Tatsache, daß er als Mensch eigentlich Bürger zweier Welten ist, daß er mit seiner irdisch-leiblichen Form dem Reiche des Vergänglichen, mit seinem geistigen Wesen, mit seinem Ich dem Reiche des Ewigen angehört. Die Tragik des dieser Ahnung völlig entfremdeten Menschen, die sich dem Unglück dessen vergleicht, der seinen Namen vergessen hat, der nicht mehr weiß, wer er eigentlich ist, findet (wie öfter in den Psalmen) einen ergreifenden Ausdruck im Buche Hiob (21,18): "Wie oft geschieht es, daß die Leuchte der Gottlosen (Gottentfremdeten) verlischt... daß sie werden wie Stoppeln vor dem Winde und wie Spreu, die der Sturmwind verweht." Es ist das Versinken im Irdischen, im "Tode der Materie". In Christus ist das ewige Ich, der ewige Name gleichsam heruntergestiegen aus dem Reiche des Ewigen in das Reich des Vergänglichen, so daß im Anschluß an Christus eine "Gotteskindschaft" (Joh1,12), ein Wiederfinden oder Wiederbewußtwerden des ewigen Namens wiederum möglich geworden ist für diejenigen, "die an seinen Namen glauben", die in den ewigen Namen Jesus Christus, in den Namen Ich die Sicherheit ihres Herzens versenken.

   Der wirkliche Sternen-Sinn dieser Tatsache wird sich im Folgenden immer deutlicher zeigen. Etwas von diesem Sternensinn erfühlte Saint-Martin (Claude de Saint Martin: Gott, Mensch und Welt, in freier Übersetzung von A.W.Sellin, Konstanz 1919, S160), wenn er, zunächst im Hinblick auf den hebräischen Jahve-Namen (J-H-V-H), dessen irdische Erfüllung aber der Jesus-Name ist (J-S-V-S), von dem Namen spricht, "welcher den Grundanfang, das S127 Leben und die uranfängliche Wirkung alles dessen, was Dasein in sich begreift, dem Namen, durch dessen Kraft die Sterne glänzen, die Erde Früchte bringt und der Mensch denkt."

   Zunächst läßt sich zeigen, wie das in der einfachen Figur

Punkt-Umkreis

sich aussprechende Sternengeheimnis des Namens in dem Worte Namen selbst enthalten ist, das im Griechischen (also im Urtext des Johannes-Evangeliums) onoma, im Lateinischen nomen, im Indischen (Sanskrit) naman (Nominativ nama, ursprünglich namn, also eigentlich ganz wie "Namen") lautet. Die Urform des Wortes in derjenigen Sprachgruppe, aus der heraus auch die Inspiration für das Johannes-Evangelium empfangen wurde, der indogermanischen, ist einfach n-m (die Konsonanten sind das Geistig-Bestimmende, im geschichtlichen Wandel in einer gewissen Weise Bleibende, die Vokale das individuell-seelisch und dialektisch Differenzierte im Wort, darum - und auch aus anderen Gründen - wurden sie in vielen alten Sprachen nicht geschrieben).

   Die heutige Sprachforschung, die sich nur auf die Verfolgung der geschichtlichen Entwicklung der verschiedenen Sprachen und die Vergleichung des geschichtlich Gewordenen einläßt, glaubt, diese ihre Methode nur dann reinhalten zu könne, wenn sie alle Probleme eines geistigen Lauterlebens und Lautempfindens grundsätzlich außer acht läßt. Diese Probleme gehören nicht derjenigen Sphäre an, in der die heutige Sprachwissenschaft sich bewegt (Nicht umsonst deutet auch Novalis in den Fragmenten an, daß hier zwei in ganz verschiedenen Ebenen liegende Probleme vorliegen, indem er von zweierlei Etymologie spricht: "Etymologie ist verschieden - genetische - pragmatische." Vgl. zu alledem des Verfasser Schrift "Etymologie und Lautbedeutung im Lichte der Geisteswissenschaft"). Um so mehr liegen sie in derjenigen Sphäre, der das Johannes-Evangelium als das Urevangelium des Wortes selbst angehört, das Evangelium, das ganz aus der Wesenheit des Urwortes und S128 Urtones heraus geboren, von den Geheimnissen des Worthaften und Weltenmusikalischen, des Klangätherischen getragen und erfüllt ist. In dem Tatsachengebiete der geistigen Lautbedeutung, des geistigen Lauterlebens und Lautempfindens ist ein wirklicher Schlüssel für die geistigen Zusammenhänge des Johannesevangeliums enthalten, die ganze Lautfügung und Wortfügung des Johannes-Evangeliums ist allem Anschein nach ganz bewußt auf jene Tatsache abgestimmt.

  Die wirkliche Einsicht in das Weisheits-Wort "Wie oben, so unten", die Einsicht in den Zusammenhang alles Irdischen mit dem Kosmischen, führt auch zu einem neuen Verständnis des Zusammenhanges zwischen allem Irdisch-Lautlichen und Tonhaft-Sprachlichen mit der Welten-Urharmonie, dem Welten-Urton und Welten-Urwort. Etwas wie ein Sternen-Sinn aller Laute und Worte leuchtet da vor uns auf. In diesem Sinne gibt Rudolf Steiner in dem Kursus "Eurythmie als sichtbare Sprache" (GA279S199f) eine Zuordnung der Konsonanten (bzw. der "zwölf Hauptkonsonanten") zu den zwölf Gestalten des Tierkreises, der Vokale (der "sieben Hauptvokale") zum Geistigen der Planeten (Sonne = au; Venus = a; Merkur = i; Mond = ei; Mars = e; Jupiter = o; Saturn = u). Nicht auf die Einzelheiten dieser Zuordnung, sondern nur auf die Tatsasche als solche kommt es zunächst an.

   Über die beiden in Name, onoma usw. enthaltenen Konsonanten, über das Urwort n-m (von dessen Untersuchung wir hier ausgehen) kann uns eine ganz einfache, an das Natürlichste und Nächstliegende anknüpfende Betrachtung sagen, daß sie dem Urton-Element wirklich besonders nahestehen, daß sie (wie schon die Sprache des Kindes zeigt) Urlaute alles menschlichen Sprechens sind. In ihrer Möglichkeit des langen dumpfen Forttönens haben beide Laute ein gewisses vokalisches Element in sich, sie stehen gleichsam noch in der Mitte zwischen Vokalen und Konsonanten. (Im Ur-Indogermanischen hatten m und n neben ihrer konsonantischen noch eine vokalische Bedeutung.) Ein solches fortklingendes m (wie z,.B. im indischen Om) läüßt sich einem dumpf verklingenden Glockenton vergleichen.

   Damit berühren wir ein Urelement der Sprache. M ist der S129 am meisten noch mit geschlossenen Lippen zu sprechende, der dem Verstummen des Wortes am nächsten stehende (Vgl. daher das m im deutschen stumm, lateinisch mutus, indisch muka, maunam "Schweigen", muni der Schweigende, der Heilige. Damit hängt zusammen das m in Worten für "Tod, Sterben": indisch mr (mar), lateinisch mori, mors, hebräisch mavet, altägyptisch mwt (maot) dumpflallende Laut. Wie w (v,u) der schöpferische Urlaut des Werdens (Siehe des Verfassers Schrift "Es werde Licht") ist m gleichsam der Laut des Vergehens, der lautliche Nullpunkt, in dem wir das Innerste des Innern berühren, der Laut der Mitte. Darum in vielen Sprachen das m im Anlaute der Worte für Mitte: lat. medius, griech. mesos, indisch madhyama, avestisch madhöma usw. Andrerseits in Worten, die die Beziehung auf das Ich ausdrücken: mein, mir, mich; lat. mihi, me; indisch mayam, me; ähnliche Worte im Griechischen, im Hebräischen, in vielen andern Sprachen. Wo der meditierende Inder sich ganz in das Innerste des Innern versenkt, spricht er die heilige Silbe Aum, Om, mit langem und dumpfem Verklingen des m.

   Gehen wir in diesem Sinne aus von m als dem Laute der Mitte, der Ich-Mitte ("Wo das Ich, ist immer die Mitte"), so kann das ihm nahestehende n empfunden werden wie der Laut des Umkreises, der Peripherie. In vielen Worten scheint es das im Umkreis, in der Ferne, im Unbestimmten Verfließende (wie m das aus dem Äußern Verschwindende, sich im Innern Behauptende) auszudrücken, man denke an Ende (sanskr. anta), unendlich (sanskr. ananta), Nacht, nichts, nein (hier das n auch in vielen gleichbedeutenden Worten der andern Sprachen). Das einfache deutsche Wort nehmen - mit Name irgendwie verwandt (bei Richard Wagner einmal: "den Namen nehm' ich von dir") - scheint davon zu sprechen, wie irgend etwas vom Umkreis in die Ich-Sphäre hereinkommt, hereingenommen wird. In unserer Grundfigur

finden wir im Innern, im Mittelpunkte das Wesen des m, im umschließenden Kreis, in der Peripherie das Wesen des nS130 Wie ein Schriftbild des Urwortes n-m steht das Zeichen da. Nehmen wir die Laute in ihrem Urwortsinn, in ihrem letzten, höchsten und heiligsten Weltensinn, so schauen wir im Umkreise, n, auf den Welten-Sternen-Kreis, im Mittelpunkte, im m, auf das Ich, auf den "Sohn", in dem die Lichtwelt des Vaters sich neu gebiert und offenbart.

   Damit haben wir die Figur

Punkt und Umkreis

gleichsam von außen nach innen gelesen. Da hat sie sich uns zu n-m, zu dem Urworte Name gestaltet. Da erschauen wir das Geheimnis des ewigen Namens im Zusammenhang von Welten-Ich und Welten-Sternen-Kreis, da hören wir dieses Geheimnis in der Welten-Sternen-Harmonie aufklingen. Nun können wir die Laute auch umgekehrt, von innen nach außen lesen. Dann entsteht ein anderes Urwort, m-n, die Urwurzel des Wortes Mensch. Dieses Wort Mensch heißt im Indischen manusha (spr. sh wie sch) oder manushya, von der Wurzel man (m-n) "denken" (vgl. lat. mens "Verstand"). Indem der Mensch denkt, im Denken allen Dingen ihren Namen gibt, setzt sich das Ich mit dem Welten-Umkreis in Beziehung. Im Englischen erscheint das Wort "Mensch" heute noch in der Urform man, die auch "Mann" bedeuten kann. Im deutschen Mann spricht die Verdoppelung des n ausdrucksvoll von einer Störung der Urharmonie des Rein-Menschlichen, von einer Verstärkung des nach der n-Seite, nach der Sinnesperipherie hin liegenden Elements. m ist der weichere, das etwas schneidende, durchdringende n der härtere Laut, m in gewissem Sinne ein weiblicher (Darum das m in vielen Sprachen bei Worten, die das Weibliche bezeichnen, insonderheit bei den Worten für Mutter (schon altägyptisch mut, lat. mater, griechisch meter). Das berührt sich dann wieder mit dem m in Wasser-Worten (hebr. maj Wasser, jam Meer, lat. mare usw.), wenn wir dabei an "Wasser der Geburt" und an die "Urwasser des Ätherischen" als die "Welt des Weiblich-Mütterlichen" denken. Auch das m des Mondenhaften in vielen Sprachen zeigt die innere Beziehung zum Wasserelement einerseits, zu dem des Weiblichen andrerseits. Im Namen Maria (hebr. Mirjam) - wir denken an "stella maris" - tritt dieser Zusammenhang hervor. Siehe zu all dem des Verfassers Schrift "Etymologie und Lautbedeutung im Lichte der Geisteswissenschaft".), n ein männlicher (Vgl. indisch nr (nar) "Mann") S131 Laut. In man, der Urwurzel von Mensch, sind m und n, Weibliches und Männliches - vgl. Gen1,27 - noch im Gleichgewichte.

   So zeigt die Figur das Geheimnis des Namens (n-m) mit dem Geheimnis des Menschen (man, m-n) innerlich verbunden. Der Name ist ursprünglich im Umkreis, in den Himmeln geschrieben (Luk10,20), und fließt von da ins Ich. Die Umkehrung dieses Vorgangs (m-n) liegt im Menschen (man), der das denkende Geistwesen ist (man = denken), der allen Dingen ihre Namen gibt (und zwar ursprünglich aus dem ewigen Urwort heraus, Gen2,19). Da wo Rudolf Steiner vom Sternensinn der Laute spricht (Eurythmie als sichtbare Sprache GA279,S199 - Auch angeführt in dem bemerkenswerten Aufsatz "Über die Laute M und N" von Robert Völpel, Gäa-Sophia 3,S178), stellt er das m zum Geistigen des Wassermanns, das n zum Geistigen der Fische. Der Wassermann deutet ja auf den Ursprung des Menschenwesens, auf den geistig-ätherischen "Menschen der Urbeginne". Das Zeichen Wassermann drückt anschaulich die fließende Welle aus, jene doppelte Wellenlinie, die wir auch in der Rundung der mit dem Wesen des m-Lautes so innig verbundenen Lippen anschaulich wiederfinden. (Darauf als auf ein ganz konkretes Beispiel der "okkulten Schrift des Kosmos" hat Rudolf Steiner schon im ersten Zyklus "Vor dem Tore der Theosophie" hingewiesen). Das Wassermann-Dreieck Wassermann-Zwillinge-Wage ist das Trigon des Matthäus-Evangeliums: dieses, so sahen wir, ist das "Evangelium des Menschen", so wie das Markus-Evangelium das Evangelium des Löwen, Lukas das Evangelium des Stieres, Johannes das Evangelium des Adlers ist (der dann zum Skorpion wurde). Bedeutsam erscheint in der hier gegebenen Figur

 

 

 

 

Tierkreis-Trigone

"Kreuz des Vaters - physisch" (blau) ; "Kreuz des Sohnes - ätherisch" (grün) : "Kreuz des Geistes - astralisch" (rot)

 

das Matthäus-Trigon als das Dreieck des Menschen mit dem Höhen-Zeichen Zwillinge im Zenith: wir denken an den schon von Plato angenommenen Sinn des griechischen Wortes anthropos "Mensch": "der nach den Höhen (des Göttlich-Geistigen) Blickende". Über die Beziehung dieses Dreiecks zu Uranus, Uranós - vgl. Luk10.20 - siehe das Planeten-Kapitel. S132 Wenn wir, wie Rudolf Steiner es uns zeigt, m zum Geistigen des (neben Jupiter vom Uranus beherrschten) Wassermann, n zum Geistigen der (neben Jupiter von Neptun beherrschten) Fische in Beziehung bringen dürfen, so würde der Sternensinn der Urwurzel M-N, Man "Mensch" zugleich auf den übernatürlichen Ursprung des geistigen Menschenwesens, den Ursprung in den oberen Sternenwelten (in diesem Sinne immer auch Uranós im Johannes-Evangelium) hinweisen. Wir denken dabei auch an das Novalis-Wort in den "Fragmenten": "Die Menschheit ist der höhere Sinn unseres Planeten, der Nerv, der dieses Glied mit der oberen Welt verknüpft, das Auge, was er gen Himmel hebt." In einem tief-johanneischen Sinne ist die geistige Bedeutung des Wortes anthropos "Mensch" damit erklärt. (In der Schrift "Der physische und der geistige Ursprung der Sprache" S21 ist bei den Worten für "Mensch" auf die Verschiedenheit der Gesichtspunkte bei den gleichbedeutenden Worten der verschiedenen Sprachen hingewiesen. Deuten die von der Wurzel man "denken" abgeleiteten Worte des Germanischen und Indischen auf das Geistige im Menschenwesen, so das griechische Wort mehr auf das zum Geistigen sich emporwendende Seelische des Menschen, während die lateinischen und hebräischen Worte homo, adam zunächst den Zusammenhang des Menschen mit der Erde (humus, adamah) betonen.)

   Auch im Urtext des (ja eben in griechischer Sprache geschriebenen) Johannes-Evangeliums bezeichnet dieses Wort anthropos das Menschenwesen. Darum aber ist die Urwurzel man (m-n) in ihrem hier gemeinten "Sternensinn" dem Johannes-Evangelium nicht fremd. Sie findet sich dort (Joh.6,31.49) in dem Worte "Manna" (griech. manna, hebräisch man): "Eure Väter haben Manna gegessen in der Wüste". Dieses (atmosphärische) Manna ist der letzte schwache und dekadente Überrest des einstigen "Sternenbrotes", der in älteren Zeiten des Menschheitsbewußtseins und der Menschheits-Mysterien noch aus dem Ätherischen des Kosmos empfangenen geistigen Atzung oder Wegzehrung ("Grals-Speisung", s.ME69), die jetzt durch die Christuskraft als neue Lebensspeisung im Ich empfangen wird. "Ich bin (das Ich ist) das Brot des Lebens" ist das große Motiv des 6. Johannes-Kapitels. S133 Das "Manna" gehört dem Abstieg der Menschheit an. In ihm erscheint verfallen und äußerlich vergröbert, was einst noch ätherisch-geistige Sternenwirkung war. Doch liegt dieses Sternen-Geheimnis, das zugleich das Menschen-Geheimnis ist, noch immer im Lautlichen de Wortes Manna, das in seiner hebräischen Form man mit der Urwurzel des Wortes Mensch identisch ist. Und es liegt dieses Sternen-Geheimnis und Menschen-Geheimnis über dem ganzen 6. Johannes-Kapitel, vor allem in der Geschichte von den "zwölf Körben" bei der dort erzählten Speisung (V.13), in denen wir schon bei der Darstellung des Markus-Evangeliums (ME34,173) ein Bild der das Ganze des Menschenwesens umschließenden zwölf Himmelskräfte erkannten. So gehört der Sternensinn der Wurzel m-n, man, ebenso wie der Sternensinn von Name, der (auch im griechischen ónoma enthaltenen) Wurzel n-m, der Umkehrung von m-n, ebenfalls zu den Motiven des Johannes-Evangeliums. (Wie der Sternensinn von Name, ist der Sternensinn des Wortes Mensch und seiner Urwurzel man - "denken" in der heutigen Menschheit im wesentlichen vergessen. Man weiß nicht mehr, wie ein lebendiges Denken das Geistige des Menschen wiederum mit dem Geistigen der Sternenwelten verbindet, wie ein solches Denken in Wahrheit eine schöpferische Entfaltung des Ich, ein "Weben des Sternen-Kleides der Liebe" ist.)

   Nicht nur  in Worten, die das Sternengeheimnis des Namens mit demjenigen des Menschen irgendwie verbinden, erscheint das in der Figur 

Punkt und Umkreis

bildhaft sich ausdrückende Motiv n-m (und seine Umkehrung m-n) im Johannes-Evangelium, sondern eine Reihe anderer Sternen-Motive schließen sich daran an, deren Zusammenhang mit dem einen Urmotiv ein ganz offensichtlicher, durch die beiden Konsonanten deutlich gegebener ist.

   Auf den Zusammenhang des n-m in Name (im Sinne des Hereinkommens oder Hereinnehmens vom Äußern ins Innere) mit dem deutschen nehmen wurde bereits hingewiesen. Mit der gleichen Vokalisierung finden wir das Motiv im griechischen nemo (nemein) "weiden" (also ein Spezialfall des S134 Nehmens, wie er sich zwischen der Kuh und dem Gras, das ihr als Futter dient, abspielt), und in dem davon abgeleiteten Substantiv nomé "Weide". Zu einem Christus-Sternen-Motiv wird dieses Wort im 10. Johannes-Kapitel, (im Kapitel "vom guten Hirten und den Schafen"), im 9. Vers: "Ich bin (das Ich ist) die Tür (zur geistigen Welt); wenn einer durch mich (durch diese Tür des Ich) den (geistigen) Eingang sucht, der wird das Heil finden: er wird eingehen und ausgehen und Weide finden. Alle Wege des Irdischen und des Himmlischen - das ist der Sinn dieser Stelle - werden sich dem öffnen, der vom Ich aus und durch das Ich den Zugang sucht; vom Irdischen wird er die Sternenwege der Himmelswelt, von den Sternenreichen wiederum die Wege des Irdischen und zum Irdischen finden: auf der großen Sternenwiese, wo die himmlischen Tiere weiden, wird ein solcher "Weide finden", der himmlischen Kräftewirkungen teilhaftig werden, im Reiche dieser Kräftestrahlungen das eigene Wesen zur Entfaltung bringen. Geheimnisse des Sternen-Tierkreises, wie sie auch hinter dem Worte ónoma "Name" sich verbergen - "freuet euch, daß eure Namen in den Himmel geschrieben sind" - leuchten in dem johanneischen nomé "Weide" vor uns auf.

   Wie nomé auf die Wurzel n-m und onoma "Name" hinweist, so enthält in seiner zweiten Silbe an die Umkehrung derselben Wurzel, an das Menschen-Sternen-Motiv m-n, man einen Anklang dasjenige Wort, das im gleichen Zusammenhang im Urtext des 10. Johannes-Kapitels den "guten Hirten" bezeichnet, das griechische Wort poi-men. Etwas wie "schöpferische Entfaltung des Menschenwesens" scheint der aus den Lauten sich erschließende geistige Sinn dieses Wortes in diesem Zusammenhang anzudeuten. Und es verbindet sich dieses Motiv des "Menschenhirten" m-n im gleichen Zusammenhange mit dem Namen-Motiv n-m: "er ruft seinen Schafen mit Namen... und die Schafe folgen ihm nach, denn sie kennen seine Stimme" (V3+4): das Ich vernimmt den aus der Christus-Sternen-Harmonie ihm erklingenden ewigen Namen, findet wieder den Anschluß an die S135 Sternen-Harmonie (in der jedes einzelne Menschenwesen mit seinem "individuellen Urton" erklingt. Auf diese "Harmonie der Urtöne", nicht auf irgendein irdisches Alphabet - obwohl auch damit Zusammenhänge bestehen - ist der hier immer gemeinte "ewige Name" abgestimmt). Auf Jesaias 43,1 wurde im Eingang hingewiesen.

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   Das Wort nomé im zehnten hat seine motivische Umkehrung in moné im vierzehnten Johannes-Kapitel (V2+23): hier erscheint wieder das m-n (wie in ónoma und nomé das n-m). Es ist das Wort, das Luther mit "Wohnung" übersetzt: "In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen" (Joh.14,2). Wir ahnen oder erkennen, wie der Sternensinn des einen Wortes zu dem des andern führt: auch die hier gemeinten "Wohnungen" sind Sternen-Wohnungen, Welten-Sternen-Orte, Ruhepunkte des geistigen Verweilens in Welten-Sternen-Sphären. Wie nomé von nemo, nemein "weiden", ist moné von meno, menein "bleiben, verweilen" abgeleitet. Vgl. im 10. Verse desselben Kapitels: "Der Vater, der in mir wohnet", wirkt seine Werke". Die gegenseitige Abstimmung der Konsonanten (n-m-m-n) ist an dieser Stelle besonders charakteristisch. Sie entspricht dem im Christus-Sonnen-Zeichen

Punkt-Umkreis

ausgedrückten Motiv "Ich und der Vater sind eins". Der für den Erdenmenschen nur in der Geburtsstunde unmittelbar lebendige Zusammenhang mit den kosmischen Sternenkräften bleibt in jedem Augenblicke des Christus-Erdenlebens ein voll-lebendiger.

   Durch das ganze Johannes-Evangelium hindurch ist meno, menein "bleiben, verweilen" ein bedeutsames Wort. Schon im ersten Kapitel (V38) fragen die beiden Johannes-Jünger den Christus Jesus nach der Stätte seines Verweilens (Luther: "wo bist Du zur Herberge"), und Rudolf Steiner weist uns in der Schrift "Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit" darauf hin, wie in seinem ganzen Erdenwandel der Christus Jesus keinen Schritt tat, S136 der nicht im Einklange mit der Harmonie des ganzen Sternenkosmos gewesen wäre. Das (sonst alltägliche) menein hat bei Christus immer eine Beziehung auf die Sternenharmonie (darum an jener Stelle des Johannes-Evangeliums der aus dem genannten Gesichtspunkt bedeutsame Hinweis "es war aber die zehnte Stunde"). Im 5. Johannes-Kapitel (V38) ist die Rede von denen, in denen das Wort des Vaters nicht wohnt; im sechsten (V27) von der Speise, die da bleibt ins Leben der Zeitenzukunft. Ebenda V56 "Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der bleibet (menei) in mir, und ich ihn ihm". Im achten (V31) spricht Christus: "So ihr bleiben werdet bei meinem Worte, so seid ihr in Wahrheit meine Jünger, und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen".

   Noch im 14. Kapitel (V23ff) sehen wir moné (Luther: "wir werden zu ihm - zum Vater - kommen und Wohnung bei ihm machen" mit ónoma "Name" und einem andern sich hier sinnvoll einfügenden m-n-Worte (vgl,. man "denken") in Verbindung gebracht, mit hypo-mnesei, vgl. lat. memini "ich bin eingedenk" - "er wird erinnern": "Aber der Tröster, der heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, derselbige wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe". In der Erinnerung, wie in allem was dauert und bleibt, offenbart sich das Ich, der ewige unverlorene" Name.

   Ganz überleuchtet und durchklungen von diesem Motive des menein ("bleiben") ist das folgende, das 15. Johannes-Kapitel, wo Christus den Jüngern vom Ich als dem "Weinstock des nie verlöschenden Bewußtseins" spricht: "Bleibet in mir (im Ich), und ich (das Ich) in euch". "Wer in mir bleibet, und ich in ihm, der bringet viele Frucht" (V5). "Gleich wie mich mein Vater liebte, also habe ich euch geliebt; bleibet in meiner Liebe" (V9). Und im Zukunftsausblick des letzten Auferstehungs-Kapitels (Joh.21) erscheint dieses "Bleiben" (menein) in einer bedeutungsvollen Weise mit dem Wesensgeheimnis des Johannes-Jüngers verbunden: "So ich will, daß S137 er (Johannes) bleibe, bis Ich komme (bis zur Zukunft des Ich), was gehet es dich (Petrus) an?" Nicht ein Verbleiben im Erdenleib, wie die Jünger zuerst annehmen (was dann vom Evangelisten zurückgewiesen wird, V23), sondern ein dauerndes bewußtes Verweilen in der Christus-Erden-Sphäre, in der Sternenharmonie des Christus, die allmählich immer mehr auch die Erdensphäre durchdringt, ist hier gemeint. Schon der Johannes-Name mit seinem J-O-A weist auf das Hineinwachsen in die Sternenharmonie des großen Sonnen-Rhythmus hin. In der Johannes-Wesenheit, einerlei, ob sie noch irdisch sich verkörpert oder nicht, waltet hinfort die ungebrochene, ungetrübte, nicht, wie in anderen Einzelschicksalen, die gebrochene (horoskopisch individualisierte) Sternen-Harmonie. Mehr als irgendwo sonst ist menein an dieser Stelle ein Sternen-Wort

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   Wie nomé zu moné, nemo zu meno stehen im Johannes-Evangelium zueinander auch die Worte nómos "Gesetz" und monos "einig, alleinig". Auch da waltet das Motiv n-m mit seiner Umkehrung m-n, auch da läßt uns die Figur

Punkt und Umkreis

in bildhafter Anschaulichkeit den Zusammenhang erkennen. Auch hier schauen wir n als die Peripherie, m als das Zentrum des Kreises an. Was von der Welten-Sinnes-Peripherie nach dem Ich-Mittelpunkt hin wirkt und strömt, so daß in der Peripherie (n) das aktive Aussenden, im Ich (m) das passive Erleiden jener Wirkung ist, das ist die Weltennotwendigkeit, das Naturgesetz, das äußere Gesetz überhaupt. So steht nómos im Johannes-Evangelium immer für das Gesetz des Moses (so schon Joh.1,17, dann im 7.Kapitel und öfter), die steinernen Tafeln, an deren totem, starrem Buchstaben die Juden festhalten, den sie dem lebendigen Worte des Christus und seiner heilenden Liebeskraft immer entgegensetzen. Da bleiben sie stehen bei der Todesoffenbarung des Vaters, dessen lebendiger Offenbarung sie sich verschließen. ("Niemand kommt zum Vater denn durch mich - durch das Ich-" S138 Joh.14,6). Da erscheint der im Christus-Ich sich vollziehende "Übergang vom Vater zum Sohn" als der Übergang vom Vergangenen und Gewordenen zum Werdenden und Zukunfttragenden, vom Toten zum Lebendigen, von der Gesetzesnotwendigkeit zur Freiheit, vom "göttlichen Zorn" zur Gnade. Auch dieses Wort charis, lautlich verwandt mit Worten, die "freier Raum" und ähnliches bedeuten, hat im Johannes-Evangelium immer eine deutliche Beziehung zum Freiheits-Erleben im Ich. Gnade als das von oben sich Schenkende ist die für den Menschen durch Christus sich entwickelnde Möglichkeit, sich aus der Freiheit im Ich für das Gute und Göttliche zu entscheiden.

   So ist nómos "Gesetz" das von außen her (n) Zwingende, das Innere (m) Vergewaltigende. Kehrt sich dieses Verhältnis um, wird das Ich im Innern sich seiner Herrscherwürde bewußt, so wandelt sich nómos in mónos "der einige, alleinige", der keinen andern neben oder über sich hat. Von da verstehen wir am besten das johanneische (gleich am Anfang Joh.1,18) mono-genés hyios, der "eingeborene Sohn", d.h. der aus der Einheit und in die Einheit Geborene, der in Ewigkeit Geborene, dessen Einheit und In-sich-Alleinsein das Wesen der Ewigkeit widerspiegelt. Es ist jene "Alleinheit", die nicht luziferische Absonderung ist, weil sie wirklich All-Einheit ist, alle Erdenwesen und alle Sterne liebend im Ich umschließt, so wie das schöne Novalis-Wort es meint: "Man ist allein mit allem, was man liebt". (Das griechische Wort mónos ist verwandt mit dem indischen maunam "heiligen Schweigen", muni "der Heilige"). In diesem Sinne sagt (Joh.16,32) der Christus zu den Jüngern, die ihn im Stich lassen: "Skorpion-Todesmacht (ME322) zerstreut euch jetzt in eure Vereinzelung, und ihr laßt mich allein; aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist in mir." Da wo das Ich in diesem kosmischen, in diesem Ewigkeits-Sinn "allein" (mit dem Vater allein) ist, da bin ich (da ist das Ich) frei und unumschränkt. In diesem Sinne ist Christus der "eingeborene Sohn", monogenés hyiós. In diesem Sinne geht er, wie die andern S139 ihn zum irdischen König machen wollen, "allein" (monós) auf den Berg (der geistigen Erhebung), und bleibt dort der Menge entrückt. Ähnlich bleibt im Anfang des 8. Kapitels, nachdem die schuldbewußten Ankläger sich zurückgezogen haben, der Christus mit der Frau allein (mónos), V9.

   Im dritten Kapitel (V18) ist monogenés (Motiv m-n) unmittelbar verbunden mit dem Geheimnis des Namens (ónoma, Motiv n-m): "Wer aber nicht glaubt (siehe oben), der ist schon gerichtet, denn er hat nicht geglaubt an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes: "ihm fehlte die Kraft, seines Herzens Sicherheit in das Ich zu versenken". Nur indem es sich selber vom Ich scheidet, "richtet" das Ich.

   Vom unrichtigen Alleinsein ist die Rede Joh.12,24: "Es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt's allein..." (monos menei). Doch ist die Stelle bemerkenswert durch die Art, wie hier die beiden das Motiv m-n enthaltenden Wort nebeneinander stehen.

   Von der wahren Alleinheit spricht Christus gerade da (Joh.17,3), wo er sich in der großen Fürbitte des "hohepriesterlichen Gebets" in höchster göttlicher Liebe mit den Seinigen verbindet: "Dies aber ist das Leben der Ewigkeiten, daß sie Dich (Vater) als das in der All-Einheit des nie verlöschenden Bewußtseins ruhende Göttliche (ton monon alethinón theón) und den aus Deiner Sternen-Strahlung (Das hier im Urtext stehende griechische apo-stello hat irgendeinen Zusammenhang mit lateinisch stella "Stern".) entsandten heilenden Jesus als den Christus erkennen."

***

   Eine letzte Zusammenfassung des Namen-Sternen-Motivs und des Menschen-Sternen-Motivs erleben wir noch in demjenigen Worte, das der Christus immer dann seiner Rede vorausschickt, wenn er im feierlichsten Bewußtsein seiner S140 Ich-Verbundenheit mit dem Welten-Sternenkreise des Vaters spricht, in dem Worte, mit dem vor allem auch die Christusbelehrung des 16. Kapitels "vom guten Hirten und den Schafen" anhebt, wo so besonders das Sternen-Motiv n-m, m-n (in nomé, poi mén usw.) hervortritt: in dem Worte Amen (amen amen lego hymin, von Luther immer übersetzt: "Wahrlich, wahrlich ich sage euch"). Schon im Schlusse des ersten Kapitels finden wir bedeutsam dieses Amen Amen da, wo der Christus dem Nathanael als das Neue, ihm Unerhörte verkündet, wie fortan in des Menschen Sohn, im Ich die Pforte der Engelwelten sich aufschließen werde. Mit demselben Amen Amen verkündigt er dann dem Nikodemus das für ihn unerhörte Geheimnis des höheren Lebenselementes in der Geburt von oben her (Joh.3,5). Besonders charakteristisch ist das Amen Amen Joh.5,19, wo von der Verbundenheit - man möchte sagen: Sternen-Verbundenheit - des Sohnes mit dem Vater (dem Welten-Sternen-Kreise des Vaters) als dem Geheimnis seines Wirkens, des Ich-Wirkens die Rede ist. Ähnlich 5,24 (denn auch das dort gemeinte "glauben" ist Sternen-Verbundenheit im ewigen Namen). Andere Stellen in dem ganz von Sternen-Motiven erfüllten 6. Kapitel (V51,58), die aus der tiefsten Wesensverbundenheit des Sohnes mit dem Vater gesprochen sind. Joh.12,24, in der Stelle vom Samenkorn, fügt sich das Amen, Amen lautlich bedeutsam zu andern Worten des gleichen Motivs (monos menei). Und in höchster Bedeutsamkeit endlich steht das Wort Joh.16,23, wo der Christus die Ich-Magie des im Gebete wirkenden Namen-Geheimnisses enthüllt: "Amen, Amen, ich sage euch (das Ich sagt euch): so ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen (im Namen des Ich), so wird er's euch geben."

   Als die im Ich, in der Kraft des Gebets, der Meditation gewirkte Magie des göttlichen Namens lebt in Christus auf höherer Stufe auf, was ältere Stufen des Menschheitsbewußtseins noch von der "Magie des Namens" träumten (und was in dieser alten, dem Ich-Erleben ausweichenden Form - als bloße "Zeichen-S141-Magie" - von Christus immer abgelehnt wird). So finden wir das (Markus 11,20ff, dazu ME275) zum erstenmal angedeutete Motiv in den oben angeführten Stellen im vierzehnten, fünfzehnten, sechzehnten Johannes-Kapitel (bes.V23ff). Daß die liebevollste Ich-Verbundenheit mit Mensch und Welt, das liebende Umfassen des Welten-Sternen-Kreises im Ich die Voraussetzung dieser Ich-Magie im Gebete ist, betont Christus den Jüngern gegenüber mit allem Nachdruck (darum das "bleibet in der Liebe des Ich" Joh.15,7-10, darum auch Mark. 11,25). Und wir können erfühlen, wie das alles, aus dem Geistigen der Laute erlebt, in dem Worte Amen selbst enthalten ist, wie dieses Wort in seinem M-N-Motiv von der Verbundenheit des Ich mit dem Welten-Sternenkreise des Vaters kündet, wie es in der Figur sich ausspricht.

Punkt und Umkreis

   Zuweilen kann es scheinen, als ob in Amen der ewige Name des Ich selbst irgendwie angedeutet sei (wenn dieser Name unmittelbar auch nur in der Sternenharmonie selbst geistig gehört werden, nicht durch die Laute eines irdischen Alphabets zum Ausdruck gebracht werden kann). So erscheint an einer Stelle in der Apokalypse (3,14) das sonst wie ein Ausruf gebrauchte Amen substantivisch ganz unmittelbar als göttlicher Ich-Name, als Christus-Name: "So spricht Amen, der Blutzeuge der Herzenssicherheit und des nie verlöschenden Bewußtseins, der Grundstein der göttlichen Schöpfung..."

   So gehört Amen als ein unmittelbar aus der Sternenharmonie erlauschtes Wort eigentlich zu den unübersetzbaren Worten des Johannes-Evangeliums. Es ist eins der ältesten Urworte aller Sprachen und darum ganz aus dem Urworthaften der Sprache, aus der Urbedeutung der Laute zu verstehen. Während das ihm sehr nah und innig verwandte indische Meditations-Wort Om (Aum) nur das Hineingehen in den Ich-Mittelpunkt ausdrückt, berühren und verbinden sich in Amen Zentrum (m) und Peripherie (n), Ich-Mittel-Punkt und Welten-Sternen-Kreis, Sohn und Vater. Wie Amen, ist auch das indische Om ein Wort der Bejahung und Bestätigung, des göttlichen Jasagens. Wie Amen in der Apokalypse (3,14) wird endlich auch Om (das zunächst ebenfalls nur Ausruf, Interjektion ist) im Yoga (bei S142 Patandschali) und in alten heiligen Schriften unmittelbar als Name des Göttlichen, der Ich-Offenbarung des Göttlichen (Ischwara, Ton auf I) gegeben.

   Wie eine lautliche Entsiegelung des Namen-Geheimnisses im Christus-Sonnen-Siegel

Punkt und Umkreis

steht das Wort Amen vor uns. Und wir erinnern uns der Stelle im sechsten Johannes-Kapitel, wo vom Geheimnis des "Menschensohnes" als dessen die Rede ist, den "Gott der Vater versiegelt hat", d.h. dem er das Siegel seines Namens aufgedrückt hat. Und eine andere bedeutsame Stelle empfängt von hier aus Licht, Joh.5,43: "Ich bin (das Ich ist) gekommen im Namen meines Vaters, und ihre nehmet mich (das Ich) nicht an; wenn ein anderer kommen wird im Namen seines abgesonderten Wesens, den werdet ihr hören." Nur im Gebet, in hingebungsvoller Meditation, im meditativen Hineinlauschen in die Weltenharmonie kann dieser Name wirklich vernommen werden. Der in J-Ch (Ich) sich entsiegelnde Name Jesus Christus ist als solcher zunächst nur ein Erzeugnis der irdischen Sprache, kann aber, wirklich in die Meditation aufgenommen und innerlich-ursprachlich erlebt, weit in die hier angedeuteten Geheimnisse und Erlebnisse der Weltenharmonie und des Weltenwortes hineinführen.

   "Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen (im Namen des Ich)" muß der Christus (Joh.16,24) zu den Jüngern sagen, die, trotz alles ihres langen Zusammenseins mit dem Meister, den vollen geistigen Anschluß an ihn nicht haben finden können, die in der Initiation versagten.

   Mit all dem nähern wir uns jetzt vielleicht auch immer mehr dem wahren Verständnis der ersten Bitte im Vater-Unser-Gebet (Matth.6,9) "Geheiliget werde Dein Name". Wie viele Menschen haben schon einen klarbewußten Sinn mit diesen Worten verbunden? Nicht, daß sie sich nichts dabei denken konnten, sondern daß sie dieses so ruhig hinnehmen, S143 kann nachdenklich stimmen. Es sind Worte, die ein tiefstes Christusgeheimnis enthalten, Worte, in denen das Ich die Harmonie it den göttlichen Vaterwelten sucht und findet. Jeder Mißbrauch des Gebets, jede Abirrung wird, wenn diese Worte richtig verstanden werden, durch sie hintangehalten (Mark.11,24.25 mit Joh15,7). Und nicht durch irgendeine intellektuelle Erklärung oder Ausdeutung können solche Worte verstanden werden, sondern nur dadurch, daß man im Wege hingebungsvoller Meditation in diejenige Sphäre eindringt, wo der ewige Name selbst in der Sternen-Harmonie erklingt.

***

   In der innern Verbindung mit dem Sternengeheimnis des göttlichen Namens erlangt der Mensch die Wiedererinnerung des im Falle der Menschheit vergessenen (und im Vergessen gleichsam verlorenen) eigenen ewigen Namens, wie er als Urton in der Weltenharmonie erklingt. Dann steht, um alles dieses in die Sprache der Apokalypse zu übersetzen, der Name wieder eingetragen in das Buch des Lebens. Da wird der Mensch inne, daß es sich bei diesem "Vergessen (oder Verlieren) des Namens" eigentlich um das Vergessen oder Verlieren eines ursprünglichen und höheren Wesensteiles des Menschen selbst handelt, um alles dasjenige, was in den ersten Kapiteln der Genesis (Schöpfung, Paradies, Sündenfall) angedeutet ist, was dann an gewissen markanten Stellen des Alten Testaments - in der Moses-Geschichte, bei Jesaias und andern Propheten, bei der salomonischen Tempelweihe, in den Psalmen, im Buche Hiob - immer wieder anklingt. Deutlich erscheint hier überall das "Geheimnis des Namens". Und dieses Geheimnis ist letzten Endes ein Sternen-Geheimnis. Noch ist es schwierig, das heutige Menschheitsbewußtsein auf dieses Sternen-Geheimnis hinzuführen. Im Folgenden wird versucht werden, von einem zunächst vielleicht überraschenden Ausgangspunkte einer solchen Verständigung S144 näher zu kommen, sie wenigstens für eine - heute vielleicht schon in naher Zukunft liegende - Zeit anzubahnen.

***

   Es ist in diesem Zusammenhang öfter die Rede gewesen von der Tatsache des Geburtshoroskops und der Art, wie Rudolf Steiner in der Schrift "Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit" diese Tatsache beleuchtet. Es gibt heute viele, die sich den dort gegebenen spirituellen Gesichtspunkten vielleicht noch verschließen, und doch mit der Tatsache des Geburtshoroskops als einer einfach empirischen rechnen, einer Erfahrung, die - zunächst an der ihn unmittelbar angehenden Geburtskonstellation, seiner eigenen - jeder machen kann, der sie ernstlich machen will, der, mit dem dabei nötigen Willen zur Selbsterkenntnis, über die in Betracht kommenden Daten verfügt und dabei die Schlüssel der auf sie anzuwendenden, leicht erlernbaren, auf rein astronomischem Gebiete liegenden Rechnung in Händen hat. Es kann allerlei Gründe geben, einer solchen Erfahrung aus dem Wege zu gehen - das ist Sache des Wollens und Nichtwollens -, hingegen keine ernstzunehmende Möglichkeit, die auf diesem Wege erfahrbare Tatsache selbst abzuleugnen, falls die Rechnung richtig durchgeführt ist, ihr Ergebnis richtig verstanden wird, und der Wille zur Selbsterkenntnis vorhanden ist. Die gesamten, vom Eingang dieses Buches bis an diesen Punkt geführten Betrachtungen geben die Möglichkeit, dieser Tatsache nicht nur als einer empirischen, sondern als einer aus dem geistigen Zusammenhang von Welt (Sternen-Kosmos), Erde und Mensch verständlichen und einleuchtenden ins Auge zu sehen.

   Nur eine Tatsache mag manchen Kenner oder Betrachter des hier gemeinten geburtshoroskopischen Tatsachengebietes und der dort üblichen Berechnungsmethoden auf den ersten Blick enttäuschen oder überraschen -: daß nämlich auf diesem (dem sog. astrologischen Gebiete) die eigentlichen Sterne gar keine Rolle spielen, wenn man dieses Wort Sterne in seinem hier meistens festgehaltenen S145 engern Sinn auf die jenseits unseres Sonnen- und Planeten-Systems liegenden Gebiete, auf die "obere Sternenwelt" (d.h. also im wesentlichen auf die Fixsternwelten) beschränkt. Planeten (Merkur, Venus usw.) sind in diesem Sinne immer noch etwas Erd- und Sonnen-Verbundenes, noch nicht "Sterne" im eigentlichen Sinn. Wir unterscheiden also die "Planetenwelt" (die Welt unseres engern Sonnensystems) von der eigentlichen "Sternenwelt".

   Man hat es bei einer herkömmlichen horoskopischen Berechnung einmal mit den Planeten als einem ihrer wesentlichen Elemente zu tun. Die gehören, so sahen wir, nicht zur eigentlichen "Sternenwelt". Weiterhin wird in einer solchen Rechnung berücksichtigt, wie diese Planeten zu bestimmten Tierkreiszeichen stehen. Daß sie (bei ihrer Sonnennähe) darum nicht wirklich Weggesellen der (sonnenfernen) Fixsterne sind, daß man die Fixsterngruppen (sog. Sternbilder) höchstens - auch dieses cum grano salis - verwendet, um den scheinbaren Ort eines Planeten am Himmel (also einen bestimmten Erdenanblick, ein vom Erdengesichtspunkt sich ergebendes Bild) zu fixieren, wird einleuchten. Aber immerhin wird man bei jenen Himmelsbildern, an denen wir den Stand der Planeten irgendwie orientieren, zunächst an Fixsterne denken. Wenn also schon die Planeten nicht eigentlich "Sterne" (im engern Sinne) sind, so wird man doch zunächst meinen, mindestens die Tierkreiszeichen als das andere wesentliche Element der horoskopischen Berechnung den eigentlichen Sternenwelten zurechnen zu müssen.

   An diesem Punkte ist alles in die Erinnerung zurückzurufen, was bereits in der Einleitung dieses Buches über Zeichen und Sternbild gesagt wurde. Die damals gegebenen, hier nicht mehr zu wiederholenden Erklärungen sind für das Verständnis alles Weiteren unerläßlich. Wichtig ist vor allem die Unterscheidung des Erden-Tierkreises, als einer zeitlich-rhythmischen Tatsache, die sich im aetherischen Umkreis der Erde spiegelt, vom eigentlichen Sternen-Tierkreis; wichtig ist die Tatsache, daß die Orientierung des einen Tierkreises am andern - der Rhythmen der Erden-Aura nach den Tierkreis-Fixstern-Bildern - zu einer Namengebung S146 geführt hat, die infolge der im Laufe der Jahrtausende sich vollziehenden Verschiebung des Frühlingspunkte nicht mehr der wirklichen örtlichen Orientierung der irdischen Rhythmen am Sternhimmel entspricht, wenn sie auch im geistigen Sinne richtig bleibt; wichtig und bemerkenswert endlich noch die Tatsache, daß die Entsprechung von Erden-Tierkreis und Sternen-Tierkreis, von Zeichen und Sternbild am vollständigsten wir im Zeitpunkte des Mysteriums von Golgatha. Das ist eine rein astronomische Tatsache. (Vom astronomisch-mathematischen Gesichtspunkt wäre noch hinzuzufügen, daß, weil die ganze "Verschiebung des Frühlingspunktes" auf einer Art Kreiselbewegung der Erdachse beruht, man verstehen kann, wie die Rhythmen der Erde und rhythmischen Kraftfelder des Erden-Tierkreises diese Bewegung der Erde mitmachen, sich also nicht nach den Fixsternen richten. An den Fixsternen orientiert sich gewissermaßen der Sonnen-Umkreis - man könnte den Sternen-Tierkreis darum auch den Sonnen-Tierkreis nennen -, der Erdenumkreis oder Erden-Tierkreis geht, infolge der kosmischen Tanzbewegung der Erde, seine eigenen Wege. Wie bedeutsam, daß er sich gerade in der Stunde von Golgatha mit dem Sonnen-Kreis deckte!)

   Es besteht also die Tatsache, daß derjenige Tierkreis, der z.B. bei einer Geburtsberechnung - aber auch bei irgendeiner rein astronomischen Rechnung - zur Angabe des Planetenstandes dient, der Erden-Tierkreis, nicht der Sternen-Tierkreis - anders ausgedrückt: daß es der Tierkreis der Zeichen, nicht der Tierkreis der Sternbilder ist. Dies bei einer gewöhnlichen astronomischen Berechnung schon darum, weil ja die Tierkreis-Sternbilder ungleich groß, dabei auch in ihren Grenzen und Übergängen verfließend, nicht so leicht exakt bestimmbar sind, während der Tierkreis der Zeichen auf einer exakten Einteilung des Gesamtkreises in zwölf gleiche Abschnitte beruht. Das könnte nun zwar für die astronomische Berechnung praktisch und richtig, für die geistige Betrachtung (oder die astrologische Berechnung) dennoch falsch sein. Aber die Tatsachen, wie sie durch eine auf diesem Gebiete bestehende Erfahrung gewonnen werden, zeigen - oder scheinen wenigstens zunächst zu ergeben -, S147 daß auch für diese geistige Betrachtung das Ausgehen von den Zeichen, also vom Erden-Tierkreis (unter Außerachtlassung der Sternbilder) das Richtige sei. Es wäre dann also wirklich so, daß bei einer üblichen astrologischen Berechnung die eigentlichen Sterne keine Rolle spielen. Fühlen wir da nicht doch irgendwie ein leises Unbehagen, das nicht bloß etwas Gefühlsmäßiges ist, das irgendwelche Hintergründe eines ernsten und berechtigten Denkens hat, also auf ein Erkenntnismoment hinweist? Erinnert jene heutige "Astrologie ohne Sterne" nicht doch in etwas bedenklicher Art an die heutige "Psychologie ohne Seele", oder die "Christologie ohne die Tatsache der Göttlichkeit Christi", an die nicht mehr sehr ferne "Theologie ohne die Tatsache des Göttlichen"? Hat hier nicht doch irgendwie der Widersacher der Menschheit seine Hand im Spiel?

   Wohl haben wir hier ein Gebiet betreten, auf dem wir dem Widersacher, der die Menschheit in ihren Fall heruntergezogen hat, begegnen. Doch können wir ihn nur überwinden, wenn wir ihm mit einem Denken begegnen, das auch dem seinigen standzuhalten vermag. Dann dürfen wir niemals eine Erfahrung, eine Tatsache, die sich als solche wirklich der Erfahrung darbietet, außer acht lassen, oder aus scheinbar spirituellen Gründen zurückweisen. Und die Erfahrung auf dem Gebiete der Geburtsberechnung spricht für die Realität und das Maßgebende des Zeichens. Nicht darin erkennen wir den Widersacher, daß jene Rechnung falsch wäre, sondern darin, daß sie richtig ist. Was heißt das? Nicht die jetzige Rechnung ist durch den Widersacher gefälscht, sondern die ihre Voraussetzung bildende Tatsache, die ganze Herauslösung des Menschenwesens aus den höheren Sternenzusammenhängen ist objektiv durch ihn bewirkt. Der durch den Widersacher angestiftete Fall der Menschheit selbst offenbart sich in der ganzen Art, wie das Menschenwesen, das in seinen letzten Ursprüngen wirklich dem Makrokosmos, der eigentlichen Sternenwelt angehört - man bedenke einmal die tiefsinnige Uranos-Mythe der Griechen - aus diesem S148 Zusammenhang wenigstens in seinem bewußten Teile so herausgerissen ist, daß es auch da, wo wir es nicht bloß irdisch, sondern, wie in der Astrologie, kosmisch betrachten, gleichsam in die Grenze unseres engern Sonnen- (bzw. Planeten-)Systems eingeschlossen, nur durch die planetarischen Kräfte dieses Sonnensystems bedingt erscheint. Beim "Sternbild" handelt es sich um Fixsterne, um Sternenwelten, beim "Zeichen" im Grunde nur um eine Erden-Angelegenheit: bestimmen wir den Stand eines Planeten nach irgendeinem der Tierkreiszeichen, so sagen wir damit nicht, wie er zu den Fixsternen, sondern wie er zur Erde steht, durch welchen Teil des Erdenumkreises hindurch uns die Strahlen eines Planeten in einem bestimmen Augenblick treffen. Da ist wirklich alles auf die Erde bezogen. Und das (durch alle Erdenleben hindurch von ihm selbst geschaffene) Schicksal eines Menschen, das Karma, wie man es mit einem indischen Wort auch nennt (karma heißt Tat, Selbstbewirktes), wie es sich aus dem Ur-Sündenfalle der Menschheit bis auf die Gegenwart hin ausgewirkt hat, dieses Karma, das immer irgendwie etwas den Menschen aus dem Göttlichen des Gesamt-Kosmos Herauslösenden und Absonderndes ("in die Vereinzelung zerstreuendes" wie es im Joh.Ev. heißt) ist, es findet gerade seinen Ausdruck in derjenigen Konstellation, die, als etwas nur zwischen Planeten und Erdenkreis Liegendes, mit den eigentlichen Sternenwelten nichts mehr zu tun hat.

   Im Johannes-Evangelium erscheint dieses "Karma", dieses Sündenkonto der Menschheit, am bedeutsamsten im achten Kapitel, wo Christus die Schuld der Ehebrecherin in die Erde schreibt. Der ganze Zusammenhang ist voll von Erdengeheimnissen: was das Menschenwesen durch seine Verbundenheit mit der Erde geworden ist, bringt diese Episode ernst und eindringlich zum Ausdruck. Von vielen und verschiedenen Gesichtspunkten können wir auf alles dieses hinschauen. Wir können einmal auch fragen, in welcher Planetenkonstellation mag jene Veranlagung der Frau ihren Ausdruck finden, die sie sich als eine selbstgewobene, durch die Taten ihrer früheren Erdenleben bewirkte in dieses Leben mitgebracht hat, jene karmische Veranlagung, die dann zu der Abirrung geführt hat, um derentwillen S149 sie jetzt gesteinigt werden soll? (Rudolf Steiner hat einmal davon gesprochen, wie bestimmte Wesenheiten im Kosmos diesen Einklang des selbstgewobenen Karma mit der in der Geburtsstunde vorhandenen Konstellation aus kosmischer Intelligenz zustande bringen. Man denke, wenn man ein abstrakt-philosophisches Äquivalent für so etwas sucht, an Leinitzens "prästabilierte Harmonie". Ob und wann eine Seele ins Erdenleben hereinkommen kann, ist gleichsam bedingt durch den Augenblick, in dem die äußere Konstellation mit dem selbstgewobenen Schicksals-Sternengewebe zusammenklingt, und zahllose Geheimnisse des Erdenlebens, auch der Liebe zwischen den Geschlechtern, führen in diesem Sinne letzten Endes auf das Sternengeheimnis). Wir werden dann darauf kommen, daß eine Schuld, wie sie sich hier offenbarte, im wesentlichen in Strahlungen derjenigen beiden Planeten, die als "Liebe und Tod" vor allem Schicksalsplaneten sind, in Mars und Venus ihren planetarischen Ausdruck finden wird. Das hier im griechischen Urtext für die "karmische Schuld" stehende Wort hamarlia hat rein sprachlich einen Zusammenhang mit Mars. Wesentlich wird dabei noch sein, in welchem Zeichen diese Planeten in der Geburtsstunde standen, d.h. nun aber nicht, wie sie zu irgendwelchen Fixsternen standen, sondern wie sie zur Erde standen. Und man kann - neben vielen andern Gesichtspunkten, dies es hier sonst noch gibt - auch von diesem Gesichtspunkte verstehen, warum der Christus das kosmische Schuldkonto der Frau in die Erde schreibt. Wie gewisse Planetenstrahlungen die Erde, nicht, wie sie die Sternenwelten trafen, war hier das Bestimmende. Vielleicht können wir im Hinschauen auf diese Episode (Joh.8) gerade auch zu einer johanneischen Vorstellung des Unterschieds von Zeichen und Sternbild kommen.

   Aber liegt alles im Menschenwesen und Menschenschicksal darum wirklich nur innerhalb dessen, was der Zusammenhang der Planeten unseres Sonnensystems mit der Erde ist? Hat der Fall der Menschheit, hat die Macht des Widersachers in diesem Falle (im "Sündenfall") den Menschen ganz aus den höheren kosmischen Zusammenhängen herausgerissen, ihn ganz den oberen Sternenwelten (Uranós) entfremdet, in denen noch der griechische Mythus den tieferen Ursprung des Menschenwesens S150 suchte? Wir ahnen schon, indem wir alles dieses fragen, wie eng und unmittelbar das ganze hier berührte, anfänglich so fernliegend scheinende Problem mit demjenigen des Verlierens oder Vergessens des ewigen Namens zusammenhängt, das sich ja wie das Verlieren oder Vergessen des eigenen höheren, kosmischen, in das Göttliche der Sternenwelten hineinragenden Wesensteiles ausnimmt, desjenigen Wesensteiles, den wir durch Christus wiederum gewinnen. In demselben achten Johannes-Kapitel, dessen Eingang die Geschichte mit der Ehebrecherin bildet, sagt (V23) Christus zu den Juden: "Ihr seid von unten her (eigentlich: "von den Wesenheiten der unteren Welt"), Ich bin von oben her ("von den Wesenheiten der oberen Welt"); ihr seid von dieser Welt, Ich bin nicht von dieser Welt". Und im Nikodemus-Gespräch (Joh3,13) spricht Christus unmittelbar von sich als dem, der vom Himmel (von der oberen Sternenwelt) heruntergekommen ist, und stellt das Geheimnis der Geburt von oben, aus den oberen Welten, als die Voraussetzung für das Eingehen in die göttlichen Reiche der Himmelswelt hin (V3-5). Der Urtext des Johannes-Evangeliums hat hier (V13) dasselbe Wort Uranós (als die Wesenheit der oberen Sternenwelt), das wir vom griechischen Mythos her kennen (Bedeutsam wird auch von Rudolf Steiner in dem für alle diese Fragen wichtigen, schon im früheren Planeten-Kapitel angeführten Schlußvortrag (1.4.1913) des Berliner Zyklus "Das Leben zwischen dem Tode und der neuen Geburt im Verhältnis zu den kosmischen Tatsachen" (GA141) von dem hier gemeinten Gebiet (dem Uranós der Griechen) als der "Region außerhalb der Saturn-Sphäre" gesprochen. Die Stelle läßt ahnen, wie mit dem Christus-Sonnen-Impuls ein Christus-Uranus-Impuls sich verbindet.) Seinen verlorenen und vergessenen kosmischen Ursprung, seinen Sternen-Ursprung ruft Christus dem Menschen wieder in Erinnerung, er gibt ihm die Möglichkeit, sich mit diesen Sternen-Ursprüngen in der Welt des ewigen Namens wiederum zu verbinden. Als eine Welt der ewigen Namen schildert auch Rudolf Steiner in dem Buche "Theosophie" (GA9) die oberste derjenigen geistigen (übersaturnischen) Regionen, die im "Leben S151 zwischen Tod und neuer Geburt" die Menschenseele durchschreitet. (Es sind dieselben Regionen, die in dem unten angeführten Zyklus mit den verschiedenen geistigen Planeten- und Sternen-Sphären in Beziehung gebracht werden.) Die Welt der ewigen Namen als die eigentliche geistige Sternenwelt, die Welt der Sternbilder liegt - wie etwas Verlorenes oder Vergessenes - hoch über derjenigen der irdisch-menschlichen Schicksalszusammenhänge, die in dem, was zwischen den Planeten unseres Sonnensystems und den Zeichen des Erden-Tierkreises liegt, ihren Ausdruck finden. Und doch ist sie dasjenige, in dem die wahre Menschenwesenheit - und damit auch jede wahre, nich nur auf das Erdenkarma sich beschränkende Astrologie - erst ihre wahre und eigentliche Vollendung findet. Sie ist das Buch des Lebens, von dem in der Johannes-Apokalypse die Rede ist (vgl. die im Eingang dieses Kapitels angeführten Stellen), das Buch des Lebens, in dem unsere ewigen Namen geschrieben sind (vgl. damit immer auch Luk10,20), wo sie in der Sternenharmonie erklingen. Wie jenes "Buch des Lebens" in den oberen Sternenwelten, in der Welt der Sternbilder, ist dann das andere Buch, das "Buch des Schicksals", wie wir es in Anlehnung an Apokalypse 20,12 nennen können, in derjenigen Welt geschrieben, die zwischen den Schicksalsplaneten und der Erde, dem irdischen "Zeichen", dem Erden-Tierkreis liegt. Es ist das Buch, in dem die, darum auch von Christus "in die Erde geschriebene" karmische Schuld der Ehebrecherin eingetragen ist. Indem er sie am Schlusse jener Episode wieder zu sich emporhebt, erscheint ihr Name wieder leuchtend im Buche des Lebens.

   Von hier aus verstehen wir vielleicht noch besser, was Rudolf Steiner in der Schrift "Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit" (GA15S54) über das Geburtshoroskop sagt. Er berührt da einen Punkt, auf den wir in keiner der landläufigen Darstellungen astrologischer Dinge hingewiesen finden, wie nämlich die Konfiguration des menschlichen Gehirns genau entspreche dem Himmelsbilde, wie es für diesen Geburstort zu dieser Geburtsstunde (bzw. in diesem Geburtsaugenblick) erscheint: "Wie in diesem (im menschlichen Gehirn) gewisse Teile angeordnet S152 sind, so in dem Himmelsbilde die Sterne. Der Mensch hat in sich dein Bild des Himmelsraumes, und zwar jeder ein anderes Bild, je nachdem er da oder dort, in dieser oder in jener Zeit geboren ist. Das ist ein Hinweis darauf, daß der Mensch herausgeboren ist aus der ganzen Welt." Dem irdischen "Aszendenten" (dem in der Geburtsstunde aufgehenden "Zeichen") ist damit als ein umfassenderer, himmlischer, das Gesamt-Firmament des Geburtsaugenblicks in bedeutsamer Weise gegenübergestellt.

   Und ohne die Erfahrung zu mißachten, die zunächst die irdischen Schicksalszusammenhänge des Menschen, sein "Karma" oder "Schicksalsbuch" auf das irdische "Zeichen" hinordnet, werden wir doch ahnen, wie in jenem eigentlichen, umfassenden Himmelsbilde, auf das Rudolf Steiner in der genannten Schrift hinweist, etwas vom "Geheimnis des ewigen Namens" vor uns aufleuchtet, der im Lebensbuche geschrieben ist, von dem Geheimnis des vom Menschen vergessenen und darum gleichsam verlorenen himmlischen Wesensteiles, der gleichwohl im höheren Sinne immer noch zu ihm gehört und auf die Wiedervereinigung mit dem durch das "Karma" des Menschen losgerissenen, in die irdisch-planetarischen Zusammenhänge verstrickten unteren Wesensteile wartet. Wir werden dann Rudolf Steiners Angaben und Hinweise nicht so verstehen, als hätten wir, um zur richtigen Berechnung einer Geburtskonstellation zu kommen, einfach an die Stelle des Zeichens das Sternbild zu setzen. (In der Einleitung wurde gezeigt, wie im Leipziger Zyklus gerade Rudolf Steiner auf die tieferen geistigen Untergründe und Hintergründe der Unterscheidung von Zeichen und Sternbild, von Erden-Tierkreis und Sternen-Tierkreis uns hinführt.) Aber wir werden dann auch zu verstehen beginnen, wie über dieser Welt des irdischen Zeichens und seiner planetarischen Erden-Schicksals-Zusammenhänge die andere, viel höhere Welt der Sternbilder, die eigentliche Sternenwelt da ist als die Welt des ewigen Namens und die Welt der ewigen Freiheit, während die zwischen dem irdischen Zeichen und den Planeten liegende Welt diejenige der karmischen (selbstgewirkten) Schicksalsgebundenheit ist (Vielleicht liegt ein sinnvoller und bedeutsamer Übergang zu alledem in der Tatsache, wie jene beiden, objektiv ja längst vorhandenen, außerhalb der "planetarischen Siebenheit" liegenden sonnenfernen Planeten, Uranus und Neptun, die uns früher wie Mittler zwischen jener Planetenwelt und der "oberen Sternenwelt" erschienen, erst in neuerer Zeit entdeckt wurden, und wie man dann allmählich immer mehr erkannte, inwiefern auch ihre feinen und fernen Strahlen für die Menschheitszusammenhänge bedeutungsvoll sind. Erst indem das Menschenwesen im Anbruch eines neuen Zeitalters für diese feineren Strahlungen empfänglicher wurde, indem der Mensch gleichsam anfing, sich aus den engen Gebundenheiten der planetarischen Siebenheit herauszulösen und einen Schritt nach der übersaturnischen, der höheren Sternenwelt zu tun, hat sich die geistige Bedeutung jener beiden sonnenfernen Planeten geoffenbart, und vieles bleibt hier noch der Zukunft der Menschheit vorbehalten.

   Wenn in neuerer Zeit Kenner dieser Gebiete zu beobachten glauben, wie die (horoskopische) Schicksalswirkung der "alten Planeten" in einer gewissen Weise immer mehr in den Hintergrund tritt, während die Strahlen der sonnenfernen Planeten, in erster Linie diejenigen des Uranus für die geistige Auswirkung der Menschen-Individualität immer entscheidender zu werden beginnen, so könnte auch darin ein Übergang dazu und ein Symptom dafür gesehen werden, wie der Mensch immer mehr in die Welten seines ewigen Ursprungs hineinzuwachsen im Begriffe ist, hineinzuwachsen bestimmt ist.) S153       In jener Welt des ewigen Namens und der ewigen Freiheit urständet der Mensch mit seinem wahren, himmlischen Wesen, dort ruht wie im Keime die Uranlage dieses höheren Menschenwesens, das gleichsam der obere, verlorene und vergessene Wesensteil des Menschen ist. Im Vergessen des ewigen Namens liegt das Verlieren des eigenen höheren Wesens. Aber in der Welt der ewigen Sterne, der Ruhesterne, ist der vergessene ewige Name geschrieben, mit dem uns Christus, der aus jenen Welten herniederstieg (Joh3,13), wiederum verbindet. Indem im Weben des "Sternenkleides der Liebe" das Innerste des Innern sich wieder mit dem Welten-Sternen-Umkreis liebend zusammenschließt, so wie die Figur

Punkt und Umkreis

die damit auch das Geheimnis des geistigen Sonnen-Wesens in sich schließt, es uns immer andeutete, erschließt sich im Menschen das höhere Christus-Ich, von dem im Johannes-Evangelium die Rede ist. Diejenige Astrologie, die nur auf S154 die planetarischen Schicksalszusammenhänge, die Verbundenheit der Planeten-Strahlungen mit dem Irdischen, mit den Zeichen des Erden-Tierkreises hinschaut, bleibt beim "Astralischen" des Menschen, als dem Inbegriff seiner (harmonischen oder disharmonischen) seelischen Spannungen (die sich dann im Erdenschicksal auswirken) stehen. Sie weiß es ja selbst, daß der "Hauserbauer", das eigentliche Selbst des Menschen, das Ich, nicht in dieser Häuserkonstruktion des von ihr aufgestellen "Geburtshoroskops" enthalten ist. Diese ganze, innerhalb ihrer Grenzen berechtigte Astrologie bleibt also eine "Astrologie des Astralischen", (wovon sie ja auch in einem gewissen Sinne den Namen hat).

   Erst diejenige Astrologie, die wieder die Zusammenhänge des Menschen mit dem ganzen Sternenkosmos, mit den oberen Sternenwelten erkennt, wäre eine Astrologie des Ich. Aus diese Astrologie des Ich als eine höhere, johanneische, durchchristete Astrologie führt uns das Johannes-Evangelium, wenn wir über das Geheimnis des Ich im Zusammenhang mit dem Sternen-Geheimnis des ewigen Namens Gesagte recht verstanden haben. Schon der ganze Rhythmus des Johannes-Evangeliums, der zunächst dem Rhythmus des großen Weltenjahres (der Ausdruck wurde schon in der Einleitung erklärt) folgt, deutet auf solche Zusammenhänge. Beim irdischen Sonnenlauf und Jahreslauf (wie er z.B. dem Markus-Evangelium zugrundeliegt), befinden wir uns im Erden-Tierkreis. Aber wenn wir auf das große Weltenjahr, auf die in Jahrtausenden sich vollziehende Bewegung des Frühlingspunktes der Sonne (die die ganze Verschiebung von Zeichen und Sternbild bewirkt) hinschauen, befinden wir uns im Sonnen-Tierkreis, und dieser für die Sonne selber maßgebende Tierkreis ist immer der Sternen-Tierkreis. Dieser Sternen-Tierkreis, er wirkt herein auch ins Irdische, in der Verschiebung des Frühlingspunktes selbst, indem er den verschiedenen Kulturperioden und Kulturzeitaltern der Erde ihr verschiedenartiges Gepräge gibt. Die Erden-Zeichen bleiben die Erden-Zeichen. Aber indem sie zu verschiedenen Zeiten der Erdenentwickelung in verschiedenen Sternbildern stehen, von verschiedenen Sternen-Regionen aus S155 bestrahlt werden, wirken sie sich in einer immer wieder verschiedenen Weise aus. Immer neue Offenbarungen der menschlichen Ich-Entwicklung knüpfen sich an diese mit dem Sternen-Tierkreis in Beziehung stehenden Verschiedenheiten der Kultur-Zeitalter. Darauf weist das Johannes-Evangelium gerade in seinen ersten, dem großen Welten-Sternen-Rhythmus folgenden Kapiteln prophetisch hin. Das Zukunftsgeheimnis des Ich, die ganze Zukunfts-Entwickelung des Ich ist kosmisch verbunden mit den über das Irdisch-Planetarische und den Erden-Tierkreis weit hinausweisenden Geheimnissen des Sternen-Tierkreises. Hier an diesem Punkte wird das - von Rudolf Steiner immer angedeutete - Hinschauen auf den eigentlichen Sternen-Tierkreis entscheidend und offenbarend. Alles was wirkliche Angelegenheit des Ich als des heute nur erst in der Keim-Anlage vorhandenen Zukunfts-Wesensgliedes des Menschen ist, gehört einer höheren Welt als derjenigen des Erden-Tierkreises und der planetarischen Schicksalszusammenhänge an, es weist uns hin auf die wirklichen Sternenwelten.

   In diesem Sinne ist erst das Johannes-Evangelium als das Evangelium des Ich das eigentliche, das wahre Sternen-Evangelium (während wir das Markus-Evangelium noch aus den Zusammenhängen des Erden-Tierkreises und des irdischen Jahres-Rhythmus verstehen konnten). In ihm finden wir die höhere, die durchchristete Astrologie der Zukunft (die etwas anderes und mehr als bloße Geburtshoroskopie ist). Manches im mehr Esoterischen der heutigen Astrologie, vor allem ihre Berücksichtigung der übersaturnischen Welt (Uranus usw.), weist durchaus schon in diese Richtung. Hier konnte nur auf die Aufgabe, nur auf das Problem selbst hingewiesen werden, das ein tief-johanneisches, ein tief-christliches Problem ist. Am Kreuze von Golgatha, in der Geburtsstunde des Ich und und der menschlichen Freiheit, war letzten Endes auch die Geburtsstunde einer neuen Astrologie (wenn auch die alten, planetarischen Schicksalszusammenhänge aus der Vergangenheit noch lange weiterwirken). Erst in dem Maße, als der Mensch Herr wird im Ich, als er das Erbe seiner eigenen Freiheit im Ich antritt, gewinnt diese neue S156 durchchristete Astrologie allmählich an Realität. Auch in ihr vollzieht sich der Übergang vom Vater zum Sohn, von der Notwendigkeit (nómos) zur Freiheit. Wirkten die alten Sternenzusammenhänge schicksalsmäßig von außen, so erblüht jetzt die Sternenwelt selbst neu aus dem Innern, aus der Freiheit des Ich. Das Sternengeheimnis ist auf Golgatha Erdengeheimnis, Ich-Geheimnis geworden.

   Der Weg zu diesem neuen durchchristeten Sternen-Ich-Geheimnis ist kein anderer als der des Johannes-Evangeliums. Schon die alten Ägypter wußten in ihren Mysterien, wie das Geheimnis aller tiefer verstandenen Astrologie ein Geheimnis der Welten-Musik ist (vgl. Friedrich Creuzer: Symbolik und Mythologie der alten Völker, BIIS170f), wie es sich um ein Hineinlauschen in die Weltenharmonie und Sternenharmonie dabei handelt. Von den Zeichen des Erden-Tierkreises hat uns das Johannes-Evangelium zur oberen Sternenwelt, zu den eigentlichen Sternbildern geführt. Auch bei diesen Sternbildern dürfen wir nicht stehen bleiben, wenn wir den Geist des Johannes-Evangeliums recht erfassen wollen. Dieser Geist des Johannes-Evangeliums, so sahen wir schon früher, ist ein aus dem Welten-Urworte und der Welten-Urharmonie, der Welten-Sternen-Harmonie empfangener. In der meditativen Versenkung in diese Harmonien liegt der Weg, auf dem sich erst das tiefere Verständnis dieses in seinem innersten Wesen auf der Welten-Musik beruhenden Evangeliums erschließt. In diesem Welten-Musikalischen sind dann alle, uns so leicht immer wieder beirrenden irdisch-materiellen astronomischen Vorstellungen überwunden. Da werden die Sternenwelten zu einer klingenden Sternenharmonie, in der wir den eigenen individuellen Urton, und damit den eigenen ewigen Namen aufklingen hören. In diesem wieder in der Sternenharmonie aufklingenden ewigen Namen offenbart sich uns aus der Region des johanneischen Welten-Urwortes das Geheimnis des Ich. Die auf der Weltenmusik und Sternen-Harmonie beruhende neue, johanneische, durchchristete Astrologie ist die Astrologie des Ich.

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